Die richtigen Socken

Markus Rybacki ist seit seiner Geburt Schalker, keiner weiß warum, und er findet, wer mit blauweißem Blut zur Welt komme, der habe es zwar nicht leicht aber dafür ein interessantes Leben. Ein bisschen was von seinem erzählt er ab und zu in seinem Blog http://www.blogigo.de/Schalke

Als Fußballfan kann man so einiges tun, um den Erfolg seiner Mannschaft zu erzwingen. Das ist zwar in der Wissenschaft umstritten, aber stimmt trotzdem. Oder, wie ein französischer Nationaltrainer vor einem Europameisterschafts-Knaller mal sagte: „Ich, abergläubisch? Aber natürlich nicht! Das bringt doch Unglück!“


Wer kennt sie nicht?! Die Rituale, die man so hat, weil man meint, dass man unbedingt abergläubisch sein sollte. Jeder kennt sie, jeder hat so einige. Trainer ziehen wochenlang nur den gewissen Glücks-Pulli an, Spieler gehen als Letzter und immer mit dem linken Fuß zuerst auf den Platz.

Außenstehende sagen, man ist bekloppt. Ebenfalls Fußballbegeisterte reagieren mit vollstem Verständnis.

Ein Schlüsselerlebnis für mich war das Spiel in Stuttgart im Jahr 1985. Wie gewohnt hörte ich als junger Teenie die Spiele im Radio. Sämtliche Torschützen der Schalker Spiele notierte ich fein säuberlich in einem vorbereiteten Heftchen, in dem ich zuvor auch meinen Tipp für das Spiel aufgeschrieben hatte. Aus unerklärlichen Gründen hatte ich ein 1:0 für den VfB getippt. Und tatsächlich steht es dann irgendwann in der 2. Halbzeit 1:0 für die Heimmannschaft. Und nun das Unverzeihliche: in der Schlussphase habe ich doch unverständlicherweise gehofft, dass Schalke kein Tor mehr schießt, damit meine Vorhersage auf jeden Fall eintritt.

Der Reporter schilderte Angriffe der Schalker und ich habe mich gefreut, wenn der Gegner wieder in Ballbesitz war. Mehr aber auch nicht, schließlich durften die nicht noch ein Tor schießen. Das Spiel endete dann auch tatsächlich mit diesem Ergebnis und schon kurz danach bereute ich es, gegen Schalke getippt zu haben. Seitdem habe ich es auch nie wieder gemacht, weil es ja Pech bringt! Seitdem nur noch auf Sieg oder ganz selten halt ein Unentschieden. Ich tippte nie wieder gegen Schalke!

In den folgenden Jahren steigerten sich die abergläubischen Handlungen allerdings deutlich. Wurde ein Spiel von Schalke live im Fernsehen gezeigt, dann hatte ich meinen Stammplatz auf der Couch stets mit der gleichen Körperhaltung eingenommen: linker Fuß auf das Tischgestell, Ellbogen auf das Knie, Finger der linken Hand am Kinn. Sobald daran etwas geändert wurde, haben wir natürlich ein Gegentor kassiert oder gar verloren.

In meiner Wohnung gab es eine Wand, an der viele Schalke-Sachen hingen. Traditionell auch immer die Autogrammkarten des aktuellen Kaders. Nach guten Leistungen konnten die Spieler somit auch „persönlich“ gelobt werden bzw. nach schlechteren Spielen hart kritisiert werden. Und das auch mit Blickkontakt, sodass im Einzelfall auch mal ein Vier-Augen-Gespräch möglich war. Kurz bevor ich dann zum Heimspiel fuhr, wurden die Spieler nochmals ins Gebet genommen. Ich hatte also vorab so eine Art Kabinenpredigt mit der Mannschaft. Einmal hatte ich meine Ansprache vergessen und ich fuhr nochmals kurz nach Hause um mein Ritual, das ja Pflicht war, zu zelebrieren.

Auch die richtige Kleidung ist wichtig. So hat sich herausgestellt, dass bei Auswärtsspielen das Heimtrikot nichts bringt. Nach der Niederlage habe ich es auch direkt eingesehen und seitdem trage ich bei Auswärtsfahrten nur noch Schalke-TShirts.

Ebenfalls ist die Wahl der richtigen Schalke-Socken zu beachten. Wenn die dunkelblauen Socken in der Vorwoche noch einen Sieg bescherten, dann dürfen diese auf keinen Fall gewechselt werden, es sei denn, das Fußgefühl stimmt dem Tausch zu. Alles schon erlebt. Irgendjemand muss ja Schuld sein, wenn es auf Schalke nicht läuft. So gab es auch eine Saison Anfang der 90er Jahre, in der wir relativ viele Heim-Unentschieden hatten. Grund war ein Kumpel, der nur bei diesen Unentschieden dabei war. Bei den Heimsiegen fehlte er genauso wie bei den Niederlagen.

Und dann war da noch die Phase, in der ich gerne immer einen Schal aus dem Autofenster hängen wollte. Aber die teuren Original-Schals waren dafür natürlich viel zu wertvoll. Ich bat also meine Mutter, mir einen blau-weißen Schalke-Schal zu stricken. Tagelang hat sie daran gearbeitet und präsentierte mir stolz den Schal, der ab dem nächsten Heimspiel natürlich genutzt wurde. Nur leider brachte dieser Schal kein Glück und ich habe ihn nach vier erfolglosen Spielen vom Druck, unbedingt gewinnen zu müssen, erlöst und ihn im Schrank versteckt.

Kennt Ihr eigentlich auch die Situationen, in denen Zahlen einem sympathisch vorkommen? Man stellt seinen Wecker auf 5:04 Uhr, man guckt schnell weg und verzieht die Mundwinkel, wenn es 19:08 + 01 Uhr ist. Mein Navi zeigte mir mal diese letztgenannte Zeit als Ankunftszeit an. Das ging natürlich gar nicht und so habe ich kurzfristig das Tempo erhöht, damit meine Augen nicht wieder mit solchen Zahlen beleidigt werden. Ebenso ist man stolz, wenn man im Supermarkt einen Preis mit 04 am Ende hinbekommt. Aber ruft man beim Vermieter an, wenn das Guthaben der Nebenkostenabrechnung mit 08 + 01 endet? Ich war kurz davor…

Schlimm war auch die schwarz-gelbe TÜV-Plakette, die im Jahr 2007 nach erfolgreicher Abnahme aufgeklebt wurde und das Gründungsjahr des Erzrivalen in der Mitte hatte, das den nächsten Termin bedeutete. Gar nicht schön!
Auch das Mindesthaltbarkeitsdatum von liebgewonnenen Nahrungsmitteln darf auf keinen Fall eine 08 + 01 enthalten. Man muss auch mal verzichten können…

Rituale und Aberglaube sind etwas Schönes, auf die man auf keinen Fall verzichten sollte. Ich kann sie nur empfehlen!


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

7 Antworten zu “Die richtigen Socken

  1. …sehr schön…schmunzel… die Tüvplakette 2009 war übrigens auch aus farblicher Sicht eine Frechheit…und mach bloß Morgen alles richtig!!! Sonst melde ich mich wieder…wir wissen ja jetzt wer Schuld ist 😉

  2. Klasse, ich bin also nicht der einzige,der um 05:04 Uhr aufsteht!:-):-)

  3. Ich kenne das aus eigener Erfahrung.

    Aber (Zitat):

    ==>
    Es kann auch ganz schön nerven, gewisse Rituale durchführen „zu müssen“
    DIeses oder jenes Deo benutzen, erst der linke Arm, dieser Schal, jenes Shirt,…

    Und vor allen Dingen: Die Ausreden, die man benötigt, wenn es trotzdem nicht läuft;-)

    GA, Enatz

  4. Herr Superschalker, herrlich!!!! HERRRRRLICH, wenn ich das mit den Zahlen auch nicht wirklich verstanden habe…öhöm

  5. @ Stefan: ich bemühe mich! 😉
    @ eakus: da sind wir zwei Hübschen auch nicht die Einzigen… 🙂
    @ Enatz: ja, es kann anstrengend sein. An was man manchmal so alles denken muss. Und ganz schlimm: das Verheimlichen, wenn man etwas vergessen hat. Bloß nicht auffällig werden und hinterher Schuld haben. 😉
    @ Hedi: ich erkläre es Dir beim nächsten gemeinsamen Bierchen!

  6. okay, du bierchen, ich wie immer keins…(sektchen, you know? oder martini..oder oder oder…)

  7. Toller Text, in dem man sich des öfteren selbst wieder findet!
    Rituale sind schon eine komische Sache..Ich kenne das selber.

    Am Spieltag selbst muss der morgentliche Kaffee aus umbedingt der bestimmten Schalketasse getrunken werden und zwar aus genau dieser Tasse.

    Die selben Klamotten anziehen ist Pflicht selbst vorm heimischen TV..Das Trikot darf erst gewaschwaschen werden wenn Schalke mal verlieren sollte (also was nie)..
    Beim nächsten Stadionbesuch muss die selbe kleidung wie beim letzten erfolgreichen Heimspiel getragen werden..also Trikot (Ultrabeauty) und natürlich die Kutte.
    Kutte waschen? Hömma, bisse bekloppt das bringt Unglück!

    Ja, man ertappt sich immer wieder, aber eins muss man sagen nach einem Erfolg der eigegen Mannschaft, klopft mann sich gedanklich immer auf die eigene Schulter und sagt..“Sauber, alles richtig gemacht!“

    Glück auf!

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