Walter Schauer lebt in München, hat aber trotzdem eine Dauerkarte für die Arena auf Schalke. Fürs Parkstadion brauchte er keine, „da war ja meistens Platz genuch“, sagt er.
Walter erzählt eine fiktive Geschichte, eine, die sich so oder so ähnlich wirklich abgespielt haben könnte. Es ist der erste Teil einer Reihe von Zeitreisen in die Schalker Vergangenheit – und damit auch der erste solche fiktive Beitrag in der Serie der „1904 Geschichten“.
„Oppa Pritschikowski aus dem Ruhrrevier
Kennt die Schalker Knappen schon seit 1904“
Irgendwann im Herbst 1903
Schweigend sehen sich die Jungen das Spiel an. Schweigend, wie die anderen Zuschauer. Abgesehen vom Torjubel oder mal einem gelegentlichen „Ah“ oder „Oh“ bei besonders gelungenen Spielzügen oder vergebenen Tormöglichkeiten sind Zuschauerlaute nämlich beim Fußball verpönt. So wie man das hundert Jahre später noch immer von Spielen im Amateurbereich kennen wird. Keine „La Ola“, keine „Attacke“, kein Pfeifen und kein Trommeln.
Die „Sechsundneunziger“ haben eine Mannschaft aus Holland zu Gast. Ein internationaler Gegner also und damit ein großer Tag für den Gelsenkirchener Ortsteil Schalke. Von überall aus den umliegenden Städten sind die Leute herbeigeströmt. Im Nachbarland wird schon seit ein paar Jahren ein Meister ermittelt, im Deutschen Reich dagegen wurde erst diesen Sommer zum ersten Mal eine Meisterschaft ausgespielt. Die Holländer spielen auch schon einen ganz gepflegten Ball, die „Sechsundneunziger“ haben große Mühe dagegen zu halten. Es dauert keine zehn Minuten und die Holländer machen das erste Tor. Bewundernd blickt Willy dem Torschützen in seinem gelben Hemd und seiner roten Hose nach, wie der, von seinen Mitspielern beglückwünscht, in die eigene Hälfte zurückläuft.
Links neben Willy steht Viktor, rechts von ihm Josef. Hinter ihnen Heinrich und noch ein anderer Josef. „Kerl, Kerl, die kriegen heut vielleicht sogar zehn Stück.“, meint Viktor. „Datt kann gut sein.“, entgegnet Willy, nimmt dabei seine Schiebermütze ab und kratzt sich an der Stirn. „Aber gegen uns hätten die Käsköppe keine Schangse.“
„Du wieder.“, lacht Viktor und die Anderen fallen in sein Lachen ein. „Ein eigener Verein. Pah.“, ist Heinrich‘s Kommentar. „Ja, warum denn nich?“ Wenn Willy sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann beharrte er auch auf seiner Meinung. Das war immer schon so.„Datt krieg’n wa doch ga‘ nich‘ alle bezahlt, hörma.“
„Ausserdem sinnwa alle no‘ nich‘ volljährig.“
Wieder, wie schon so oft, entbrennt eine große Debatte über dieses Thema. Aber Willy hört den Anderen schon gar nicht mehr zu, sondern konzentriert sich wieder auf das Spiel. Gerade haben die Holländer das zweite Tor gemacht und Willy versinkt in seine Gedanken.
Aus dem notdürftig mit Draht umspannten, holprigen Sportplatz der „Sechsundneunziger“ wird für ihn der Crystal Palace in London. Aus den paar Hundert Zuschauern werden Hunderttausend. So wie er das vor etwa zwei Jahren einmal auf einer Fotografie in einer Zeitung gesehen hat. Diese Fotografie hat er sich zu Hause aufbewahrt. Hunderttausend begeisterte Menschen bei einem Fußballspiel. Beim englischen Pokalfinale.
„Wie Ihr wollt.“, sagt Willy mit fester Stimme. „Ihr könnt mitmachen, oder nich‘. Wir gründen einen Verein. Und datt wird nich‘ sonne Kirmestruppe wie die da.“ Verächtlich deutet er auf den Torhüter der „Sechsundneunziger“, der gerade zum dritten Mal den Ball aus dem Netz holen muss. „Datt wird etwas noch nie Dagewesenes. Etwas Beispielloses. Der geilste Club der Welt.“
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Pingback: Walter schauer | Trd4runner