Jan Henke aus Herten ist seit den späten Siebzigern Schalke-Fan, obwohl der Vater eher der Braunschweiger Eintracht zugetan war, und hat seither nahezu die gesamte Familie „bekehrt“. Verfiel kurz mal dem Basketball, aber seit dem legendären Heimspiel gegen BlauWeiss 90 Berlin (Juni 89) ist das Fieber wieder zur Gänze ausgebrochen und seither nie mehr erloschen.
Älter wird jeder mal, aber zur Feier eines runden Geburtstages ein solches Geschenk von seinem Fußballclub zu bekommen, nein, davon können die meisten nur träumen. Es war genau heute, vor elf Jahren…
Im September 2000 näherte sich für mich ein Datum, vor dem viele Angst haben: der 30. Geburtstag. Da mein Leben nach turbulenten Jahren in einigermaßen ruhigem Fahrwasser angekommen war, war ich nicht übermäßig besorgt über den Eintritt ins Rentenalter, sondern freute mich auf eine standesgemäße Party, mit möglichst allen Freunden.
Frühzeitig wurde somit Samstag, der 23.09.2000, fünf Tage nach dem eigentlichen Datum, als Termin festgelegt, Essen bestellt, Bier gekauft und jeder eingeladen, der mir einfiel.
Nun kam es, wie es bei diesen Terminen allen Schalkern ergeht, dass die DFL (oder war´s damals noch der DFB?) in ihrem Spielplan genau für diesen Tag ein nicht ganz unwichtiges Auswärtsspiel vorsah – bei den Zecken. Die Saison lief – überraschend ungewohnt – gut an, nach fünf Spieltagen ein dritter Platz mit einem Punkt hinter den späteren Schalendieben und Preußen Pipigelb (Danke, ElvisT, für diesen Begriff). An eine Auswärtsfahrt war nicht zu denken, lange hatte ich es vermieden, dieses Stadion zu betreten, das sollte an diesem Tag nicht anders sein. Es gab ja auch reichlich logistische Probleme, schließlich will man nicht auf der eigenen Party fehlen.
Glücklicherweise stand das Bier schon kalt im Partykeller, Essen war bestellt, sodass einem Fußballnachmittag in der damaligen Stammkneipe, dem Rheinhousen in Herten nichts im Wege stand.
Kai, ein leidlich fußballbegeisterter Freund aus Wiesbaden (besser Mainz-Kastel), hatte sich zur Feier bei mir einquartiert und war nun, noch ganz ohne Vorahnung was folgen würde, in der einmaligen Lage, als quasi „Neutraler“ ein Fußballspiel in einer Ruhrgebietskneipe zu verfolgen.
Ca. eine halbe Stunde vor Anpfiff war das Rheinhousen gut gefüllt, mit einer positiv aggressiven Stimmung. Die Verteilung der Gäste war klar, vereinzelte Zecken, sehr viele Schalker und ein Neutraler. Wegen meines Ehrentages und Ehrengastes war es uns möglich, noch relativ gute Plätze direkt vor der Leinwand zu ergattern. Kai war bereits tief beeindruckt von der biergeschwängerten Atmosphäre. Kurz vor Anpfiff war die Bude voll wie die Nordkurve.
Eine faustvoll Bier und ein klopfendes Herz, wie bei jedem Derby…
Das Spiel konnte von Anfang an begeistern, gut stehende Schalker, irritiert mit langen Bällen experimentierende Dortmunder und ein Traumsturmduo Ebbe und Emile. Letzterer wird dann vom Ex-Schalker im Zeckentor von diesem unsanft von den Beinen geholt. Wie immer bei Elfmetern für uns: Alles um mich versinkt im Jubel, während ich, in der Gewissheit, dass garantiert verschossen wird, wie ein Häufchen Elend in mich zusammensinke.
Egal, Böhme haut ihn rein und ich kann mich nur noch an Schreie, Arme und fliegendes Bier erinnern. Vieles von dem Folgenden hat Kai mächtig beeindruckt, nachdem er den ersten Schock über den ekstatischen Jubel verwunden hatte, manches weiß ich auch nur noch durch seine Erzählung. Beim 2:0, nach einem unglücklichen, von Latal gekonnt abgefangenen, Abschlag Lehmans, diesmal durch Mpenza selbst (Schade Emile, Du hättest ein Großer werden können…) rannte ich bis auf die Straße, beim Eigentor von Heinrich (3:0 erzwungen durch Ebbe Sand) fand ich mich auf der Theke wieder und beim 4:0 durch Ebbe schwebte ich ohnehin schon einen Meter über dem Boden.
Kai hat den Nachmittag sinngemäß mit einem „Boch!“, oder wie und was auch immer die Wiesbadener dazu nuscheln, zusammengefasst und bewunderte die Sangeskraft eines kahlköpfigen Schalkers (Martin, der Ex-Bayernfan).
Zur Party bleibt nicht viel zu sagen, sie war phänomenal. Kai ging gegen vier Uhr(?) ins Bett, konnte aber erst gegen sieben schlafen, nachdem er immer wieder von Liedern, die aus dem Partykeller in den zweiten Stock drangen, geweckt wurde. Ob es nun „blau und weiß“, „Oppa Pritschikowski“ oder (ich schäme mich) „Griechischer Wein“ war, Gerüchten zufolge wurde sogar der Schlager „Pornokino“ der Wiesbadener Kultband „Die Crackers“ selbst von der anwesenden Weiblichkeit intoniert…
Es gibt wenige perfekte Tage in einem Leben, aber dieser gehörte sicher dazu!
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Hauptsache das, was ihr erzählt, ist wirklich wahr, man erkennt um welches Jahr es geht (wenigstens ungefähr) und ihr habt kein Problem damit, dass es hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Es war bei mir immer eine gewisse Spannung dabei, wenn ich gemerkt habe, dass eine eigene Party mit einem wichtigen Spiel meines S04 kollidiert. Es ist oft gut gegangen und die Stimmung war umso besser, aber ich kann mich auch an unglückliche Niederlagen erinnern, wo ich nachher gute Miene auf der Party machen musste, obwohl ich eigentlich keinen Bock
mehr hatte.
Geile Story!
Bei diesem Spiel war ich auf Nord. Bis 1 1/2 Stunden nach Spielschluß!
Übrigens das einzige mal, dass ich mit freiem Oberkörper auf einer Tribüne war. Warum auch immer? 😉
Glückauf, Enatz