Finale

Joern Trottenberg, schalkebekloppt seit 1974, ist Westfale und seit vielen Jahren im norddeutschen Exil zuhause – aber selbst dort gibt es eine königsblaue Gemeinde und Auswärtsspiele, bei denen sich der Anreiseweg in Grenzen hält.

UEFACup-Finale 1997, beide Spiele im Parkstadion erlebt, mit gutem Anfang und, naja, lest selbst…


Als Student mittlerweile in Berlin gelandet, waren die UEFA-Cup-Auftritte unserer Mannschaft eigentlich Pflicht. Ich hatte bis dato nur eine einzige Partie gegen einen internationalen Gegner gesehen und das war eine Saison-Eröffnung gegen Lazio Rom.
Nachdem ich dennoch die ersten beiden Begegnungen gegen Roda und Trabzon verpasst hatte, fuhr ich zu den übrigen Heimspielen jeweils die 500 Km Richtung Heimat. Die Karten hatte ich jeweils über Annoncen im „Reviermarkt“ erstanden.

Schließlich kamen die Final-Partien und die Karten-Preise zogen entsprechend und weit über meine Möglichkeiten an. Dennoch wollte ich diese Sternstunden des Vereins in unmittelbarer Nähe erleben und bin die weite Strecke angereist, um am Hinspieltag mit Freund Jörch an der Kurt-Schumacher-Straße eine Kneipe in Stadionnähe zu suchen, in der Hoffnung nachher in kollektivem Freudentaumel am einzig richtigen Ort der Welt zu sein.

Wir saßen vor einem halbwegs großen Fernseher und warteten auf den Anpfiff. Dieser war gerade erfolgt, da sprang die Tür auf und jemand stürmte mit einem Bündel Karten in der Hand in die Kneipe. „Sitzplatz 20 Mark, Taxi steht vor der Tür!“ rief er und sofort kam Bewegung in die Gesellschaft. Jörch sagte skeptisch „Nein“, ich sagte „Ja“ und während auch andere aufsprangen, entschlossen wir uns schnell und eilten zum Ausgang. Das Großraumtaxi fasste alle Interessierten, raste die Kurt-Schumacher-Straße entlang (erst falsche Richtung, dann U-Turn) und ließ uns an der Straßenbahnhaltestelle Parkstadion raus (als Einziger warf ich dem Taxifahrer noch die verabredeten 2 Mark zu). Wir rannten zum Stadion und erreichten einen Stehplatz in der Südkurve (kontrolliert wurde nicht mehr) 12 Minuten nach Anpfiff.
Direkt vor uns sollte Willi in der 70. den Treffer erzielen und unsere Zuversicht belohnen.

Zum Rückspiel hatten wir uns wieder in der Südkurve eingefunden und wollten zum Kommentar von Manni Breuckmann das Spiel auf der Videoleinwand verfolgen.
Der Verlauf ist bekannt und es kam schließlich zum Elfmeterschießen.
Nach jedem Schuss fielen sich die Leute in die Arme und johlten vor Glück. Dann kam Aaron Winter und schoss vorbei. Ich lag zu meiner linken in irgendwelchen Armen und wollte mich dann auch nach rechts zu Jörch werfen. Der hingegen lag in anderen Armen und so knallte ich mit den Zähnen direkt auf den Wellenbrecher. Es krachte in meinem Mund und ich fuhr schockstarr mit der Zunge über die Zähne.

Während Willi den entscheidenden Elfer versenkte und die versammelte Gemeinde in Jubelstürme ausbrach, spürte ich nur stechenden Schmerz und vermutete, mindestens die Hälfte der Zähne verloren zu haben. Jörch wandte sich zu mir und wollte freudeerfüllt mit mir jubeln, aber ich öffnete nur den Mund und entblößte ein entstelltes Gebiss.

Es waren letztlich „nur“ zweieinhalb Zähne, die abgebrochen waren, doch sah es furchteinflößend genug aus. Sein Blick erkannte die Situation und verdarb auch ihm den Jubel gründlich.

Statt die Nacht feiernd in GE zu verbringen, fuhren wir also mit gedämpfter Freude zum Bahnhof und überließen die übrigen Schalker ihrer und mich meiner eigenen Fassungslosigkeit.


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

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