Walter Schauer lebt in München, hatte aber trotzdem jahrelang eine Dauerkarte für die Arena auf Schalke. Fürs Parkstadion brauchte er keine, “da war ja meistens Platz genuch”, sagt er.
Das erste Heimspiel, ausgerechnet eines, das einen Schritt näher an den in Reichweite liegenden Gewinn der Deutschen Meisterschaft führen sollte und dann kam’s doch ganz anders.
Samstag, 2. April 1977, 15.30 Uhr:
FC Schalke 04 – 1. FC Saarbrücken 0:1 (0:0)
Soweit ich mich erinnern kann, war das wohl mein erstes Mal auf Schalke. Ich war damals noch keine zehn Jahre alt, weil ich erst im Oktober Geburtstag habe. Es gibt noch ein Foto von mir, auf dem bin ich im Parka und mit einem ewig langen blau-weißen Schal zu sehen, auf dem Weg zum Parkstadion. Den Schal hab ich heute noch, den hat nämlich meine Schwester selbst gestrickt. Das war ein Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenk. Vor ein paar Jahren begleitete er mich zum Beispiel auch nach Kopenhagen….
„Jedes Jahr kamen wir mindestens einmal ins Revier
Und besuchten den FC Schalke 04….“
Meistens waren es die Weihnachts- oder Osterferien in denen wir mein Großelternhaus in Herten besuchten…. und um Ostern herum spielte auch damals schon die Bundesliga. Ich habe noch eine dunkle Erinnerung daran, daß mein Vater mich eigentlich schon ein Jahr vorher gegen den „FC“ zum ersten Mal mitnehmen wollte. In Köln oder zuhause auf Schalke weiß ich nicht mehr. Jedenfalls fiel das Spiel aus irgendeinem Grunde aus…. und es galt nochmal ein langes Jahr auszuharren….
Der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Buback verbindet mit Ostern 1977, genauer gesagt mit dem Gründonnerstag, den Verlust seines Vaters. Das war mir aber bis vor wenigen Jahren, als ich das Buch von Michael Buback gelesen habe, nicht mehr bewusst…. Als kaum zehnjähriger Junge hatte ich nur eine ungefähre Ahnung, daß diese Leute, die überall auf den Fahndungsplakaten abgebildet waren, irgendwie ganz schlimm sein müssen….
Aber zurück zu diesem Spiel:
Die Namen unserer Jungs brauche ich wohl niemandem vorzubeten. Aber auch die Aufstellung der gegnerischen Mannschaft konnte ich noch lange nach dem Spiel auswendig aufsagen und kriege Teile davon heute noch zusammen. Asimovic, Traser, Bernd Förster, der spätere Nationalspieler, aber vor allem den Schützen des „goldenen“ Tores, Harry Ellbracht.
In dem Buch „Schalke in Zahlen“ wird die Zahl der Zuschauer mit 15 000 angegeben. Es waren auch sehr Wenige, die sich bei nasskaltem Wetter im Parkstadion verloren und die Stimmung wurde gegen Ende der Partie geradezu trostlos. Ich hab noch heute das gellende Pfeifkonzert im Ohr. Und ich heulte damals Rotz und Wasser. Aber nicht allein wegen der Niederlage, sondern vor allem wegen der Pfiffe. Hatte ich doch in dem „Lied über Schalke“ etwas von tausend Freunden gehört, die zusammen stehen. Eines der Dinge, die mich zutiefst beeindruckt haben, als ich Schalke kennen lernte. Und dann diese Pfiffe. Ich verstand die Welt nicht mehr in meinem noch jungen Leben. Im Nachhinein kann ich mir diese Pfiffe nur dadurch erklären, dass ein Großteil der Zuschauer sich wohl an ein Spiel gegen Bielefeld erinnerten, das erst rund sechs Jahre zuvor stattgefunden hatte und dessen Nachwirkungen im Jahre ’77 ja immer noch spürbar waren.
Als mein Vater und ich nach Herten zurückkehrten, heulte ich immer noch. Und der Glastüre zum Wintergarten versetzte ich mit meinen Stiefeln einen Tritt, als meine Großmutter sie öffnete. Wütend und enttäuscht wie ich war. Impulsivität ist übrigens noch heute eine meiner weniger schätzenswerten Charaktereigenschaften….
Nach dem letzten Spieltag dieser Saison war die Enttäuschung ganz besonders groß. Es war der 21. Mai 1977. Sogar ein Heimsieg im Derby reichte nicht mehr. Gladbach wurde mit einem 2:2 im Münchener Olympiastadion Deutscher Meister. Noch heute sehe ich mich untröstlich und am Boden zerstört in meinem Kinderzimmer sitzen. Nachdem ich zuvor in der guten, alten Sportschau den Verlauf der beiden entscheidenden Spiele verfolgt hatte. Dabei konnte ich noch gar nicht ahnen, was mir als Schalker noch alles bevorstehen sollte und dass fast ein viertel Jahrhundert vergehen würde, bis wir der Meisterschale noch einmal so nahe kamen….
Es gab in der Folge noch viel Erinnernswertes – die Flutlichtmasten des Parkstadions…. Jahrelang haben sie mich begrüßt und verabschiedet, wenn ich mit meinen Eltern unsere Verwandten in Herten besuchte….
Mein Vater drehte bei An- oder Abreise oft nochmal für mich ’ne kleine Runde, damit ich das Parkstadion sehen konnte….
Engelbert Siegel, der inzwischen auch schon längst verstorbene Platzwart des Parkstadions, empfing meinen Vater und mich immer in seinem kleinen Büro, das mit allen möglichen Wimpeln dekoriert war. Zwei, dreimal waren wir zu Gast in seinem Privathaus, wo heute der Fanshop steht. Er und seine Frau besuchten uns dafür in ihrem Winterurlaub auf der Durchreise nach Bad Kleinkirchheim….
So viele Jahre, so viele Spiele….
4:0 am 11. August 1978 gegen Frankfurt und wir waren am 1. Spieltag der Saison nur Zweiter, weil der FCK 5:1 gegen den VfB gewonnen hatte; es war der Geburtstag meines Vaters…..
1:1 zweieinhalb Monate später gegen den immer noch ungeschlagenen Tabellenführer FCK, einen Tag vor meinem Geburtstag….
2:1 als bereits „gefühlter Absteiger“ gegen den späteren Vizemeister HSV mit seiner Supertruppe am 11. April 1981. Das Spielplakat mit allen Unterschriften unserer Jungs hing lange Jahre in meinem Jugendzimmer in Wolfratshausen im tiefsten Oberbayern….
SpVgg Bayreuth, BV Lüttringhausen, bei einem dieser beiden Spiele saß Stan Libuda ein paar Plätze neben uns in derselben Reihe….
Der Bundesliga-Aufstieg gegen Darmstadt 98….
Das 3:3 gegen den FC Bayern, als wir den Roten in die Meistersuppe spuckten und Werder Bremen den Titel holte, danach wurde der Platz gestürmt und das heulende rote Pack aus dem Stadion gejagt….
Diese und viele andere Spiele gehören zu meinen Erinnerungen….
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Der vorletzte Satz käme mir so heute nicht mehr über die Fingerkuppen. Weil einfach zu fussball-rassistisch. Es gibt sowieso viel zuviel Rassismus in dieser Welt.
Der vorletzte Satz käme mir so heute nicht mehr über die Fingerkuppen. Weil einfach zu fussball-rassistisch. Es gibt sowieso viel zuviel Rassismus in dieser Welt.
Ich habe diese Geschichte vor nullneun Jahren geschrieben. Damals war ich gerade offenbar angepisst vom Wechsel des Nationaltorwarts nach München. Heute sehe ich nicht nur das in einem anderen Licht.