Der kreis(ch)ende Falke

R.Roger Mischke meint, als Kind sei man ja gerne Erfolgsfan, er hätte also auch Gladbacher werden können, aber das Pokalfinale 1972 habe den Ausschlag gegeben. Weil er selbst Football spielt (und die Dolphins mag) war er früher eher Gelegenheitsfahrer, inzwischen aber seit über zehn Jahren mit Dauerkarte auf Schalke.

Bei gewissen Dingen is Schluss mit Lustig und die Toleranzschwelle schnell erreicht – eine Auswärtsfahrt in die VW-Stadt, die sich ein bisschen anders entwickelt als erhofft.


Es ist Mitte Mai 2004, ich bekomme eine sms von einem Bekannten, Tulpe, den dürften einige der Leser kennen: „fahren mit fanclub nach wolfsburg, haben noch karten übrig. willst du mit?“ Die Saison ist gelaufen, Bremen ist Meister, Schalke im Niemandsland und Wolfsburg im Jahr 2004 eher sogar noch uninteressanter als heute. Alles in allem wenig Gründe für eine Reise in die niedersächsische Provinz. Auf der anderen Seite hatte ich den Samstag auch noch nicht verplant, die VW Arena war noch relativ neu und ich hatte sie noch nicht gesehen und so dann kurzerhand zurück getextet, „okay, bin dabei“. Wenig später dann telefonisch die Details geklärt, „fahren mit noch einem Fan Club… holen dich dann in Lüdenscheid am Worthkreuz ab… da fahren noch welche aus Lüdenscheid mit….“

In der Nacht von Freitag auf Samstag noch in einem Club an der Tür gearbeitet, morgens in Ruhe Kasse gemacht und einen gepflegten Kaffee getrunken und schließlich auf zum vereinbarten Treffpunkt. Unterwegs noch einen Stopp beim Bäcker eingelegt, lecker warme Brötchen, und schließlich an der Worth angekommen.

Dort warten auch schon zwei andere, offensichtlich als Schalker zu erkennende Personen, die mir allerdings beide unbekannt waren. Ich beschließe also noch etwas im Auto zu dösen, bis der Bus kommt. Wie nicht anders zu erwarten, ist zum geplanten Zeitpunkt noch kein Bus zu sehen. Die Sonne ist inzwischen schon deutlich am Horizont zu sehen, als der Bus, zum Glück ein richtiger Reisebus und nicht so ein gepimpter Linienbus, um die Ecke kommt.

Beim Einsteigen sehe ich außer Tulpe nur wenige bis gar keine bekannten Gesichter, was aber auch weiter kein Problem darstellt, war doch mein Plan ohnehin, die Fahrt nach Wolfsburg zum Schlafen zu nutzen. Also in den Sitz gelümmelt, Stopfen in die Ohren und die Kapuze bis weit ins Gesicht gezogen … in Hagen war ich schon im Traumland.

So gegen Mittag bin ich dann wieder erwacht und kam so auch noch in den Genuss einer Stadtrundfahrt durch Wolfsburg. Ein scheinbar verwirrter Busfahrer auf der Suche nach dem Stadion, geführt oder doch eher genervt von etlichen besserwissenden Schalkern. Zwischenzeitlich war dann sogar ein Abstecher zum Stadion am Elsterweg im Programm, dort hatte ich den VfL schon mal gesehen – inzwischen wohl das Stadion der Amateurmannschaft. Nach einer kleineren Diskussion über die weitere Fahrtroute kamen wir aber doch noch an der VW Arena an. Es war erstaunlich, wie viel an Infrastruktur hier auch zwei Jahre nach der Eröffnung noch nicht fertig war. Am Stadion selbst waren auch einige Unioner mit ihrer „Bluten für Union“-Kampagne vor Ort, sogar ein paar Bekannte vom Pokalfinale 2001. Als alter Spritzen-Neurotiker habe ich es bei einem T-Shirt-Kauf statt einer Blutspende belassen.

Irgendwann, nach Wurst- und Bierbudencheck, beides unspektakulär, kam ich dann auch auf meinem Platz an. Ab hier ist das weitere schnell erzählt, ein maues 1:1 und beide Buden von Wolfsburgern erzielt. Direkt zu Anfang, ich hab es nachlesen müssen, machte Karhan das 1:0 und bereits in der 20. Minute erzielte Maik Franz (der ja Schalke-Fan sein soll 🙂 per Kopf den Ausgleich. So hatte ich also genug Muße und die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, über das Handy, in Pre-Smartphone-Zeiten eine echte Herausforderung, Informationen vom parallel laufenden FA Cup Finale Man United gegen Millwall zu bekommen. Bis zur Halbzeit konnten die Lions auch noch mithalten, schlussendlich verloren sie dann doch 3:0.

Erstaunlicherweise fanden sich zum Abreisezeitpunkt tatsächlich alle wieder am Bus ein, von meinen wenigen Reisen mit Fan Bussen war ich sonst anderes gewohnt, aber in Wolfsburg wollte wohl keiner die Samstagnacht verbringen. Wir machten uns also auf die Rückreise. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnte – jetzt begann meine Leidenszeit. Hatte ich die Hinfahrt noch schön verschlafen, bekam ich nun alles ungefiltert mit: Die Hits der Nordkurve im Partymix … Ich kann nicht auf Schlager, Texte nach dem Schema „reim dich oder ich hau dich“ mit feinsten Malle-Party-Beats machen mich fertig, da retten auch Schalke Texte im Song nichts.
Nachdem zum dritten Mal der Falke kreiste war mein Entschluss gereift, ich würde beim nächsten Pinkelstopp, davon gab es zum Glück reichlich, versuchen, eine Mitfahrgelegenheit in irgendeinem Auto zu ergattern. Bei den beiden ersten Stopps ergab sich keine Gelegenheit, leere Parkplätze.
Dann aber beim nächsten Halt schien alles Gut zu werden, reichlich PKWs am Parkplatz. Auf die Suche nach MK, HA, EN gemacht und tatsächlich, ein paar Schalker aus Gevelsberg erklären, klar könnten sie mich mitnehmen und in Hagen zum Bahnhof bringen. Hätte ich keine Ohren, ich hätte vor Freude im Kreis gegrinst. Wir gehen also zu ihrem Auto und ich will mich gerade bei Tulpe abmelden, als der Fahrer der Gevelsberger das Radio aufdreht … und mir der „Falke“ entgegenschallt.

Ich habe die Heimfahrt dann doch im Bus fortgesetzt.

Geblieben ist mir von jenem 22. Mai, ein maues Spiel in Wolfsburg, eine exorbitante Handyrechnung, ein „Bluten für Union“ T-Shirt und eine tiefe Abneigung gegen den kreisenden Falken.

„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

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