David Döpper ist Anfang 20 und kommt aus Essen, wo er als Blauer so einiges an Frotzeleien auszuhalten hatte, hat nach dem Abi ein freiwilliges soziales Jahr im Kinderheim geleistet und absolviert nun eine Ausbildung zum Erzieher. Schon vor bald 18 Jahren war er dank Papas Leidenschaft erstmals bei einem Schalke-Spiel live dabei und ist seither immer öfter königblau unterwegs.
Von der Freude, weil einer, den man von der Cola-Flasche kennt, ein Tor schießt – obwohl der im falschen Trikot steckt – bis hin zum Pokalfinale knapp 15 Jahre später.
Im Mai 2011 konnte ich endlich einen Titelgewinn meines FC Schalke live im Stadion miterleben und von diesem Erlebnis, beziehungsweise einem Erlebnis auf dem Weg zum im Olympiastadion stattfindenden Pokalfinale gegen den MSV Duisburg soll diese Geschichte handeln.
Zunächst aber möchte ich eine kurze Einleitung zu meinem Werdegang als Schalke Fan geben. Ich wurde von meinem Vater infiziert, der seinerzeit von seinem und dieser wiederum von seinem Vater zum FC Schalke gebracht wurde. Mein erstes Spiel sah ich im Parkstadion kurz vor dem Gewinn des UEFA-Cups und kurz nach meinem 5. Geburtstag. Zu Gast war damals Werder Bremen und Schalke holte mit dem 1-1 einen Punkt, ob das ein Erfolg war oder nicht kann ich leider nicht mehr beurteilen. Radoslav Latal traf für die Blauen, Marco Bode (den ich von den Coca-Cola Flaschen kannte und mir daher laut meinem Vater ein Loch in Bauch freute als er als Torschütze verkündet wurde) für die Bremer.
Vor nicht allzu langer Zeit erzählte mir mein Vater, dass ich vor meinem ersten Schalkespiel einige Spiele im Bochumer Ruhrstadion verfolgte. Warum ich mich daran nicht erinnern kann, an den ersten Schalke-Besuch aber schon, muss wohl was mit den Genen und/oder mit dem Mythos zu tun haben, den wir alle so leidenschaftlich spüren. Auf jeden Fall versuche ich seitdem möglichst viele Schalke Spiele zu sehen, insofern es Geld und Schule/Beruf zulassen und es werden jedes Jahr mehr.
Nun aber zu jenem wunderbar sonnigen Tag im Mai 2011 als mal wieder zehntausende Schalker die Hauptstadt bevölkerten und nach neun Jahren auch wieder den DFB Pokal in den Pott holten:
Mein kurz vor Berlin im brandenburgischen Havelland lebender Vater konnte vier Karten über wen auch immer besorgen, sodass mein Vater sich mit mir, meiner Oma und seinem Onkel bei traumhaftem Wetter mit dem Regionalexpress aus dem Berliner Umland zur Gedächtniskirche, die bei den meisten Schalkern wohl von diversen Feierlichkeiten nur als „kaputte Kirche“ bekannt ist, aufmachten, um von dort später zum Olympiastadion zu fahren. Ich war mit meiner Oma und meinem Onkel schon einen Tag früher aus Essen angereist und der feuchtfröhliche Vor-Pokalabend steckte uns allen noch ein wenig in den Lidern und im Kopf.
Wir stiegen also in der brandenburgischen Kleinstadt, die mein Vater seinen Wohnort nennt, in den Regionalexpress der uns in die Innenstadt bringen sollte.
Wie es der Zufall wollte stiegen wir in den einzigen Wagon in dem sich weitere königsblaue befanden, wobei königsblau sich auch auf den Alkoholpegel der vielleicht 5 bis 7 Mann starken Truppe beziehen ließ.
Auf dem Boden lagen leere Tequila Flaschen und anderes Zeugs herum, im Zug wurde geraucht und meine Mutter hätte wohl wieder darüber schwadroniert was Fußball für eine „Assi-Sportart“ sei (eine Auffassung die sie an Dingen wie Bier trinken, schreien und ähnlichen für mich schönen Dinge festmacht). Wir kamen mit den Jungs natürlich auch direkt ins Gespräch und besangen auch ein wenig den geilsten Club der Welt. Irgendwo in Berlin, ich meine es müsste Berlin-Staaken gewesen sein, stieg dann eine Frau mit Kinderwagen in unseren Waggon. Sie besah sich das Spektakel eine Zeit lang mit einem Lächeln, schien überhaupt kein Problem mit unserem Alkoholkonsum und wildem Gesinge zu haben. Ein erstes Mal grinsen musste ich, als einer der, ich nenne sie mal „Alkohol-Truppe“, seinen Kollegen an raunzte er solle die Zigarette ausmachen, schließlich sei dort ein Kind!
Nach einiger Zeit fingen die Jungs an, mit dem Kind ihre Späße zu treiben. Das Kind wurde spontan auf den Namen Schalke getauft und sich in bester Uwe Ochsenknecht-Manier über den Kinderwagen gebeugt und gesagt „sach mal Schaaaaalke“, was das bestenfalls 6 Monate alte Mädchen allerdings zum allgemeinen Bedauern nicht umsetzen konnte. Auch die Mutter wurde angesprochen, warum das Kind denn eine rosafarbene Decke habe und keine königsblaue, worauf der Fragesteller von seinem Kumpel darauf hingewiesen wurde, dass dies doch unser neues Auswärtstrikot sei. Der Kinderwagen wurde mit Schalke Aufklebern beklebt und weiter Späße mit Kind und Mutter getrieben, die darüber lachen konnte aber offensichtlich nicht gut deutsch sprach und nicht viel kommunizierte, sondern nur lächelte. Alle Beteiligten hatten sichtlich Spaß und die erwachsenen und alkoholisierten Männer hatten große Freude mit dem Kind, welches das Geschehen um sich herum mit großen Augen und völlig still verfolgte.
Das Interessante und Schöne, was ich mit dieser Erzählung rüber zu bringen versuche, war, dass dieser für Außenstehende „asoziale Haufen“ im Angesicht einer Mutter mit ihrem Kind ihre besten Manieren auspackte und in bester Patenonkel-Manier mit dem Mädchen spielte und herum blödelte. Es wurde einfach diese wunderschöne Beklopptheit mit dem traumhaften Humor des Ruhrgebiets gelebt. Eine wirklich schöne und lustige Erinnerung die das Schalker Wesen meiner Ansicht nach gut beschreibt. Mögen wir manchmal ein wenig verrückt, irritierend komisch oder auch ein wenig „assi“ rüber kommen, sind wir doch meistens ganz nette Jungs&Mädels!
Als wir aussteigen mussten, wurde das Mädchen stimmungsvoll mit einem „Blau und Weiß ein Leben lang“ verabschiedet und ich wette diese frühkindliche Erziehung wird Früchte tragen und der S04 hat an diesem Tag einen neuen kleinen Fan gefunden.
Nachdem wir dann an der Gedächtniskirche einen stimmungsvollen Nachmittag verlebten, setzte das Spiel und das Erlebnis Pokalfinale für mich die Krone auf einen traumhaften Tag. Zu meinem persönlichen Leidwesen lagen unsere Plätze zwar nicht in der Kurve sondern auf einer der Geraden, ein Stück zu den Zebras hin, die Freude darüber, meinen FC Schalke bei einem eventuellen Titelgewinn sehen zu dürfen, überwog aber natürlich. Interessanterweise war ich in den Tagen vor dem Spiel überraschend gelassen (ich war mir irgendwie sicher, dass wir die Duisburger schlagen würden, diesen Optimismus kenne ich von mir sonst gar nicht) und auch den ganzen Tag über in Berlin genoss ich einfach die wundervolle Atmosphäre. Es gibt doch wenig Schöneres als unter tausenden von Blauen zu sein!
Und dann das Spiel: Wenn ich daran denke wie der Mythos durchs Olympiastadion schwappte, wie ein Großteil des Stadions Walzer tanzte, wie unsere Mannschaft die harmlosen Duisburger zerlegte, die Hühnerfell erzeugende Choreo, ….einfach Danke an alle, die Schalke zu etwas so besonderem machen! Die Betrunkenen, Witzigen im Zug als exemplarisches Beispiel, die unfassbar engagierten Ultras, die Rentner, die für uns junge Generation (Ich selbst bin Baujahr 1992) so unfassbar viel mit und für Schalke erlebt haben, mein Vater, der mir zeigte was für ein geiler Club dieser FC Schalke ist und diesen Virus so fest verpflanzte, dass ich fast mein gesamtes bisheriges Leben in Essen-Borbeck erlebt habe und trotzdem mein Leben lang königsblaues Blut durch meine Adern fließt, an euch und alle anderen: Danke!
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Mutter mit Kinderwagen – nicht gut deutsch sprechend – Kinderwagen beklebt – Mutter lächelt verlegen zurück…
Ganz toll gemacht – vielleicht hatte die gute Frau auch nur Angst!!