Jörg Hanewinkel bildet die mittlere Generation einer Schalke-Familie. Vater Teja und Sohn Till haben auch das Knappen-Gen. Wanderte nach dem Studium als Preuße (so werden in Bayern alle Menschen nördlich des Mains, also des Weißwurstäquators, genannt) nach Franken aus, um zu heilen.
Schalke und der Club, eine besondere Beziehung. Auch für Jörg, der einen Blick zurück wirft.
Mein Vater wurde vor gut 70 Jahren in Buer geboren. Derart genetisch vorbelastet besuchte ich mein erstes Schalke-Spiel im Parkstadion im zarten Alter von etwa 3 Jahren. Sie spielten gegen den HSV. Mein Vater saß mit mir und meinem Zwillingsbruder auf der Haupttribüne. Schnell stand es 2:0. Das Volk tobte, und mein Bruder und ich leider auch. Wir brüllten aus Angst wie am Spieß. Auch die Aussage eines Schalke-Fans: „Junge, watt plärsse so? Schalke führt doch 2:0!“ konnte uns nicht beruhigen, so dass mein Vater, damals ging das noch problemlos, mit uns auf die leere und sonnige Gegengerade wechseln musste. Erst dann war Ruhe.
Ruhe mit Besuchen auf Schalke war dann auch die nächsten gut 20 Jahre, da wir mittlerweile zwischen Osnabrück und Bremen wohnten und ein Trip in den Pott somit nicht mal so eben möglich war, zumal mein Vater beruflich sehr eingespannt war.
Während meines Studiums in Münster in den 1990er Jahren war ich dann wieder öfter im Parkstadion. Ich hatte das Auto und mein damaliger Kumpel Matthias Hütig aus Herten (ein eingefleischter Knappe) die entsprechenden Kontakte, um an Karten zu kommen. Eine echte Symbiose. Ich sah so 1997 u. a. alle Heimspiele der Euro-Fighter ab dem Viertelfinale, wobei ich diese Spiele wieder mit meinen Eltern und meinem gelähmten Zwillingsbruder (im Stadion heulten wir beide inzwischen allenfalls noch vor Freude) besuchte. Einer musste nämlich den Rollstuhl schieben.
Anfang 1998 zog es mich dann nach Franken, wo ich auch heute noch mit meine Familie lebe. An einem Freitagabend Anfang März 1999 war ich mit meiner heutigen Frau und einem bekannten Ehepaar (beides bekennende Clubberer) dann zum ersten Mal im Frankenstadion. Es war eiskalt, die Hütte war voll, der Club gewann 3:0 und stieg am Ende der Saison trotzdem ab. Ich erinnere hier an die legendäre WDR-2-Schlusskonferenz von 1999. Der fränkische Volksmund hatte mit seiner Aussage: „Der Club is a Depp“ wieder mal recht behalten, obwohl schwache Schalker im März noch einen ordentlichen Beitrag zur Fanfreundschaft und eigentlich auch zum Nicht-Abstieg geleistet hatten und mich die erste Niederlage im Frankenstadion erleben ließen.
Danach verlor Schalke nach dem erneuten Wiederaufstieg der Nürnberger im Frankenstadion kein Spiel, gewann sogar die meisten, jedoch ohne mich.
Das änderte sich erst am 02.10.2010. Meine Kollegen hatten mir zum 40. Geburtstag zwei Tribünenkarten für das Spiel Nürnberg-Schalke eben an diesem 02.10.10 geschenkt. Ich beschloss, meinen ältesten Sohn zum ersten Mal mit in ein Fußballstadion zu nehmen. Er war damals 6. Alles war spannend: die Fahrt im überfüllten Zug, das volle Stadion, der Lärm, der Neuer, der Magath… Nur mit dem Spiel an sich konnte er damals noch relativ wenig anfangen. Das war auch nicht weiter schlimm. Wir spielten erneut unterirdisch und verloren 1:2. Meine zweite Niederlage im Frankenstadion. Da war es auch egal, dass mein Sohn in der Pause mal musste, dann eine fränkische Bratwurst wollte (das wollten auch viele andere) und wir somit die ersten 15 Minuten der 2. Halbzeit nicht sehen konnten. Viel verpasst habe ich da nicht.
Im April 2011 hatte der Club schon Monate lang kein Heimspiel mehr gewonnen. Da passte es gut, dass die Altmeister mal wieder aufeinander trafen. Weniger gut war, dass meine beiden Arbeitskollegen (eingefleischte Clubberer) dieses Spiel mit ihren Familien und mir besuchen wollten. So saß ich „verloren“ zwischen lauter Club-Fans und einem weiblichen Bayern-Fan. Die angehende Schwiegertochter meines Kollegen versuchte damals verzweifelt, über ihr Smartphone Informationen aus Lüdenscheid-Nord zu bekommen. Dort gastierte nämlich zeitgleich der FCB. Als sie das 1:0 von Lüdenscheid-Nord und den verschossenen Elfmeter von Robben vernahm, war sie fast noch bedienter als ich. Bedient konnte ich nämlich auch sein, da wir einen erneuten Beitrag zur Fanfreundschaft leisteten und nach schwacher Leistung mit 1:4 verloren. Diesmal genügte das dem Club zur Rettung. Aber es war meine 3. Niederlage im Frankenstadion. Meine persönliche Bilanz im Frankenstadion lag damit bei 0 Punkten und 2:9 Toren. Da die Schalke das Spiel nach einer halben Stunde beim Stande von 0:2 allerdings mehr oder weniger abschenkten und da die Stimmung im Stadion bombig war, ließ ich mich sogar ein wenig davon anstecken. Es war ja eh egal, zumal wir den wichtigen 3 Platz hinterher aus eigener Kraft noch klarmachten.
Meine Kollegen wollen im März 2013 übrigens wieder ins Stadion. Ich soll quasi als Glücksbringer dabei sein. Ich werde mich dem auf jeden Fall stellen. Irgendwann muss meine Serie ja mal reißen. Und wenn nicht, dann haben wir sicher wieder einen unterhaltsamen Nachmittag. Ich könnte mich dann damit trösten, dass wir wieder was für die Fanfreundschaft getan haben und dass es ja keine Niederlage gegen Lüdenscheid-Nord bzw. Ulis zusammengekaufte Millionentruppe war. Aber wer weiß, vielleicht kommt es ja mal ganz anders. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
(Anmerkung Sep 2014: Muss man wirklich erwähnen, wie das Spiel im März 2013 ausging? Man braucht sich nur nochmal anzusehen, was Jörg zu seinem allerersten Besuch im Frankenstadion, fast auf den Tag genau 14 Jahre zuvor, schrieb: „Es war eiskalt, die Hütte war voll, der Club gewann 3:0…“)
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Schöne Story!
Vielleicht – lieber Jörg – warst Du ja wenigstens noch im Dezember 2013 beim vorläufig letzten Auftritt der Königsblauen dabei?!
Ich war es, auch wenn das Beste an dem Abend das Schäufele und das Bier in der Nürnberger Altstadt waren 😉
Es war wieder „eiskalt“ und trotz einer schlechten Leistung gab es wenigstens 1 Pünktchen beim torlosen Remis…
Glückauf,
Enatz