Davor Vutuc ist in Baden-Württemberg zuhause und seit 40 Jahren Schalker, verpasst fast kein Spiel, muss die meisten aber in der viereckigen Kiste gucken.
Zu Weihnachten mal eine phantastische Geschichte aus der Zukunft – Schalkes 200.Geburtstag…
Tagebucheintrag Samstag, 03.Mai 2104:
Ich kann es kaum erwarten – Morgen ist der große Tag. Mein Verein der ruhmreiche FC Schalke 04 Ruhrgebiet feiert seinen 200 Geburtstag. Es wird ein großer Tag werden. Feierlichkeiten im gesamten Ruhrpott sind geplant. Ich weiß immer noch nicht genau, was ich alles einplanen und wo ich überall hingehen soll. Klar, der Abschluss steht. Am Abend findet um 21.00 Uhr in der Arena der 36. von 78 Spieltagen der World-League 2104 statt. Ich werde mit meiner Dauerkarte wie immer in der Nordkurve sitzen und im ausverkauften Stadion inmitten der 225.000 Zuschauer meinen Verein anfeuern. Der Gegner ist passenderweise Gazprom St. Petersburg und der Energieriese Gazprom war, wie es der Vereinschronik zu entnehmen ist, immerhin bis ca. 2025 fast 25 Jahre lang Hauptsponsor unseres damals noch Schalke 04 Gelsenkirchen genannten Vereins.
Und wir sind derzeit Erster in der Tabelle. Endlich nach 26 langen Jahren haben wir als 7-maliger Rekordchampion der World-League wieder die Chance den Titel zu gewinnen. Die Schmähgesänge weltweit vom letzten Jahr „25 cupless years“ schmerzen immer noch. Aber im Gegensatz zu vielen Arena Besuchern habe ich noch die letzten Titel und die glorreiche zweite Ära meines FC Schalke miterlebt. Ja, das waren noch Zeiten als der FC Schalke 04 der dominante Verein in Deutschland und weltweit war. Der Begriff Kreisel II, der diese Ära prägte, steht heute in jedem E-Duden und in jedem Fußballbuch.
Als ob es gestern gewesen wäre, kann ich mich noch an die 26. und überhaupt letzte Deutsche Meisterschaft (ab dem Folgejahr gab es die World-League) meines Vereins im Jahr 2065 erinnern.
Ich war zwar erst 7 Jahre alt, aber es war mein erster Stadionbesuch überhaupt und mein Vater hat mich zum Endspiel gegen den FC BMW Allianz München in die altehrwürdige, nur 125.000 Zuschauer fassende, Tönnies Fleischwaren Arena in Gelsenkirchen, die heute unter Denkmalschutz steht, mitgenommen. Wir sind die knapp 400 km von Heilbronn zum Berger Feld in unserem Nissan Future, der zwar schon 10 Jahre auf dem Buckel und nur eine Ladereichweite von ca. 2000 km hatte, in knapp 90 Minuten durchgefahren. Mein Vater hat zeitweilig das Tempopedal ganz durchgedrückt und der alten Kiste die 300 Sachen, die sie maximal drauf hatte, abgerungen und meine Mutter hat wie ein Rohrspatz geschimpft, er solle nicht so rasen.
Endspiele gab es wieder ab dem Jahr 2033, als die Bundesliga beschlossen hatte zum Ende der Saison ein Entscheidungsspiel um die Meisterschaft zwischen dem Ersten und dem Zweiten der Tabelle auszutragen, wobei der Tabellenerste den Vorteil hatte, zu Hause spielen zu dürfen. Gut, Endspiele waren 2065 nichts Besonderes für Schalke, immerhin stand man in den vergangenen 32 Jahren 27 mal im Endspiel und hatte dabei 18 mal gewonnen, so dass sich die Bilanz der Deutschen Meisterschaften wie folgt liest: 1934, 1935, 1937, 1939, 1940, 1942, 1958, 2017, 2034, 2035, 2036, 2037, 2038, 2040, 2043, 2044, 2047, 2050, 2051, 2053, 2056, 2057, 2059, 2062, 2064 und eben 2065.
Ja die Zusammenarbeit mit der Aspire Sports Academy in Doha, die von 2025 bis 2045 von einem gewissen, den Schalkern nicht unbekannten, Senor Raul geleitet wurde, trug Früchte. Viele Spieler aus dem arabischen Raum, die ab Anfang der 2030-er Jahre weltweit den Fußball beherrschten, spielten für meinen Verein und trugen so zum großen Erfolg bei. Nicht umsonst wird bei jeder Schalke Mythos-Tour heute darauf verwiesen, dass unser Verein scherzhaft auch Arbeiter- und Araberverein genannt wird. Auch die knapp 100.000 Araber die heute im Großraum Gelsenkirchen leben und die sich damals von 2030 bis 2060 hier angesiedelt haben und heute das Stadtbild mitprägen, sind Zeitzeugen dieser Jahre. Wer erinnert sich nicht an so glorreiche Spieler wie Ibrahim Al-Hashimy (5-maliger Weltfußballer), Mohammad El-Barak (3-maliger Weltfußballer) oder Farid Mohammed, die unser Trikot trugen und selbstverständlich in die Ehrenkabine des FC Schalke 04 gewählt wurden. Tja und heute haben wir mit Matthias Hosseini gerade noch einen arabisch-stämmigen Spieler in unseren Reihen, aber als ca. Mitte der 2040-er Jahre die letzten Ölquellen versiegten und das Zeitalter der Ölindustrie zu Ende ging war auch der Niedergang und Verfall in den arabischen Ländern nicht mehr auf zu halten.
Aber zurück zum Endspiel 2065. Mit Betreten der Tönnies Fleischwaren Arena war ich hin und weggerissen von der Atmosphäre im Stadion. Der Duft nach Bratwurst und Bier, die Fahnen schwenkenden Fans, die Jubelgesänge, all das hat mich so in seinen Bann gezogen, dass das Spiel für mich nebensächlich war und ich die gesamte Zeit mehr das Drumherum auf den Rängen beobachtete. Das Dach der Arena war natürlich geschlossen. Die kaum mehr vorhandene Ozonschicht erlaubte es maximal drei bis vier Mal im Jahr das Dach zu öffnen. Schalke beherrschte das Spiel von Anfang an und die Münchner wurden mit einer 5:1 Packung nach Hause geschickt (3 Tore Al-Hashimi).
Es war die endgültige Geburt meines Schalke-Fan Daseins und ich bin meinem Vater bis heute dankbar, dass er die Familientradition weiter gegeben hat und mich zum Schalker machte. Er hat mich zwar gleich am Tag nach der Geburt als Schalke Mitglied eingetragen, aber erst an diesem Tag mit Betreten der Arena wurde ich auch tatsächlich Schalke Fan und hat mich der Schalke-Virus endgültig befallen.
Apropos Familientradition. Der erste Schalke Fan in der Familie war mein Ururonkel Davor Vutuc, nach dem ich auch benannt wurde. Dieser hat meinen Urgroßvater zum Schalker gemacht, und von da an wurde das Feuer an die jeweiligen Kinder weiter gegeben. Den Bildern nach zu urteilen, die ich noch habe muss mein Ururonkel ein komischer Kauz gewesen sein, aber neben dem Namen und Schalke haben wir noch weitere Gemeinsamkeiten.
In ca. drei Wochen erscheint der 241. Band der vom Verein vertriebenen Buchreihe „1904 und mehr Geschichten“. In dieser Buchreihe erzählen Fans des FC Schalke 04 von ihren Erlebnissen mit ihrem Verein und im kommenden Band ist auch eine Geschichte von mir enthalten. Absicht des Vereins ist es, solange Geschichten zu veröffentlichen, bis 1904 Bände zustande gekommen sind. Bei derzeit ca. 825.000 eingetragen Vereinsmitgliedern wird dies ja hoffentlich auch klappen und die drei Bände die jedes Jahr in Millionenauflage veröffentlicht und erfolgreich vertrieben werden, deuten darauf hin.
Ja und mein oben erwähnter Ururonkel hat bereits im ersten und zweiten Band eine Geschichte beigetragen, wie auch mein Urgroßvater ebenfalls im zweiten Band, mein Großvater im 17. und 49. Band und mein Vater im 122., 126., 137. und 184. Band. Die ersten 32 Bände wurden noch von einer Privatperson mit Namen Bergfrede, Berghammer oder so ähnlich und nur in einer kleinen Auflage von wenigen tausend Exemplaren und nur einmal im Jahr herausgegeben. Nach 1904 Geschichten und eben 32 Bänden wurde die Buchreihe zunächst eingestellt, dann aber die Idee mit Einverständnis des Autors vom Verein übernommen und weiter geführt.
Mit 18 Jahren hat mir mein Vater die ersten 32 Bände (teilweise vom Autor signiert) vererbt und ich könnte mir noch heute in den Allerwertesten beißen, dass diese Bände im Zuge des Umzuges in den Ruhrpott verloren gingen. Ich könnte heute ein reicher Mann sein, denn erst letztes Jahr wurde in London im Aktionshaus Sotheby`s ein vom Autor signierter 1. Band zum Preis von 250.000 EUR versteigert.
Ja und vom Umzug in den Pott und wie es dazu kam, davon handelt meine oben erwähnte Geschichte für die Buchreihe. Nach meinem Architekturstudium las ich eine Stellenanzeige, dass für den geplanten Neubau der Schalker Arena eben Architekten gesucht wurden. Lange Rede kurze Hose (den Spruch habe ich aus einer der „1904 Geschichten und mehr“ geklaut) ich habe mich beworben und die Stelle gekriegt.
Die Vorgeschichte zum Stadionbau ist folgende: Mit dem Erfolg des FC Schalke 04 der 2030- er bis 2070- er Jahre (2067, 2069, 2072, 2073, 2075, 2076 und 2078 World-League Sieger und zwischen 2030 und 2078 noch 23 Mal Deutscher Pokalsieger in Berlin), kamen riesige Einnahmen zusammen und der Verein schwamm in Geld. Gut für Schalke, denn so konnte der Club als einziger Verein in Europa als e.V. überleben und wurde zu keinem Firmen- oder Großinvestorenverein. Schlecht für die anderen Revierclubs. Nachdem ein Verein nach dem anderen kurz vor dem Ruin stand, kam 2075 der große Schnitt. Frühere Traditionsvereine wie der Evonik 09 Dortmund, Ruhrenergie 1848 Bochum, MSV Mediamarkt Duisburg, Rot Weiß C&A Essen und viele weitere Vereine wurden mit dem FC Schalke 04 fusioniert und der Club in FC Schalke 04 Ruhrgebiet umbenannt. Die Mitgliederzahl stieg von heute auf morgen um das Dreifache an und die altehrwürdige Tönnies Fleischwaren Arena wurde viel zu klein um den Zuschaueranspruch befriedigen zu können. Also musste ein Neubau her. Wo konnte das Stadion allerdings gebaut werden? Das Berger Feld war hierfür viel zu klein geworden, auch sonst gab es in ganz Gelsenkirchen kein ausreichend großes Gelände. Nach langer Suche wurde ein passendes Gelände auf der Gemarkung von Dortmund gefunden. Natürlich war der Aufschrei der Schalker Fanszene gewaltig und die Traditionalisten protestierten auf heftigste. Aber nachdem auch sie keine Alternativlösung hatten und daher in den sauren Apfel beißen mussten, kam die Entscheidung: Das Stadion wird in Dortmund gebaut. Kapital für einen Grundstock war ja vorhanden.
Nachdem ich die ausgeschriebene Stelle bekam, zog ich 2084 als erster Vutuc in den Ruhrpott nach Gelsenkirchen in den Stadtteil Schalke in die Nähe des Schalker Marktes. Denn hier war mein Arbeitsplatz. Ich war nämlich für den Bau des Neuen Bahnhofs am Schalker Markt zuständig, der Gelsenkirchen und Schalke mit der Neuen Ruhrpott-Arena in Dortmund verbinden sollte. Die eigens hierfür gebaute Magnetschwebebahn legt die 42 km lange Strecke zwischen Schalke und der Arena in Dortmund in etwas mehr als 5 Minuten zurück und erreicht eine Spitzengeschwindigkeit von knapp 600 km/h. Ich finde, dass mir der Bahnhof ganz gut gelungen ist (ok. Eigenlob stinkt) und es erfüllt mich mit Stolz, dass ich somit auch einen Beitrag für meinen FC Schalke 04 Ruhrgebiet leisten konnte. Außerdem konnte so der Schalker Markt aus seinem Dornröschen Schlaf erweckt werden und erfüllt erneut eine zentrale Rolle im Vereinsleben meines Clubs. Was gibt es Schöneres als sich vor einem Spiel in einem der zahlreichen Lokale auf der Schalker Meile zu treffen, ein oder zwei Bierchen zu zwitschern um anschließend mit der Bahn in die Arena zu düsen und nach einem Sieg diesen wieder dort zu feiern?!
Apropos Schalker Meile. Nachher treffe ich mich mit Valerie Kruschinski, der Vorsitzenden des FC Schalke 04 Supporters Club e.V. und weiteren Fanclubvertretern um die Planungen zu besprechen, wie die Schalker Meile (die Bezeichnung passt sowieso schon lange nicht mehr, da die Strecke zwischen Tönnies Fleischwarenarena bis zur St. Josephskirche in Schalke ja deutlich länger ist) zur Schalker Marathonstrecke ausgebaut werden kann um die gesamten 42 km von Schalke bis zur neuen Arena mit Leben zu erfüllen.
Aber leider ist nicht alles Gold was glänzt. Allein der Neubau der Arena hat 1 Milliarde gekostet. Für die Infrastruktur, 3 kleinere Plätze für die Zweite Mannschaft und die Jugendmannschaften, weiterer Trainingsplätze etc. kamen weitere drei Milliarden zusammen, so dass der FC Schalke heute wieder hoch verschuldet ist und sich in der World-League nur dank seiner guten Nachwuchsarbeit weiterhin ordentlich schlägt. Aber es geht ja aufwärts. Der Vorstand spricht davon, dass spätestens in 12 Jahren die Schulden getilgt sind und der Verein wieder aus dem Vollen schöpfen kann. Allerdings haben auch die Wissenschaftler prophezeit, dass die Ozonschicht bereits vor 10 Jahren wieder vollständig hergestellt sein sollte, aber auch heute kann das Dach in der Arena nur ca. die Hälfte des Jahres geöffnet werden.
Außerdem nervt es schon, dass die Spiele heutzutage aus TV-Vermarktungsrechtlichen Gründen montags bis sonntags stattfinden können und die 78 Spieltage im Jahr mit 39 Heimspielen einem das Geld ganz schön aus der Tasche ziehen. Aber was tut man nicht alles für seinen Verein.
Es ist auch nicht mehr so einfach sich den Kader und alle Spieler vom FC Schalke 04 zu merken, aber was kann man machen, wenn man montags bei United Benetton Sidney spielt und der nächste Spieltag beim FC Rockefeller New York am Donnerstag ist. Jeder der 40 Vereine hat heute einen Kader von ca. 50 Spielern und schickt in diesem Fall montags Team A und donnerstags Team B ins Rennen. Aus Deutschland sind neben uns übrigens noch 4 weitere Vereine in der World-League vertreten: FC BMW Allianz München, VFB Mercedes Porsche Stuttgart, Bayer Pfitzer 04 Leverkusen und die Hertha Springer aus Berlin, wobei letzteren akut der Abstieg droht. Dies wäre schade, da dann England mit uns gleichziehen würde was die Anzahl der Vertreter in der World-League betrifft und es ein Derby weniger geben würde.
So jetzt wird es Zeit fürs Bett und ich werde hoffentlich vom morgigen Jubiläumstag träumen und wie uns Max Draxler am Abend zum 3:0 Sieg gegen die Russen schießt und wir dann einen 10 Punkte Vorsprung vor Armani Mailand haben werden. Diese haben nämlich gestern völlig überraschen mit 2:1 beim aufstrebenden Aufsteiger FC Jungletree Rio De Janeiro verloren. Diesen wird eine große Zukunft prophezeit aufgrund der Einnahmen aus den, der Wissenschaft sei Dank, in Rekordzeit nachwachsenden Urwaldhölzern Brasiliens und es ist ja auch schon lange her, dass Brasilien gute Fußballspieler hervor gebracht hat.
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.