John Aßmann ist von selbst zu Schalke gekommen, als solcher in der Hauptstadt kein bisschen leise und so oft es geht in Hamburg, Hannover, Wolfsburg, Berlin und Cottbus auswärts königsblau dabei.
Bei John läuft manches anderes – so infizierten nicht seine Eltern ihn mit dem Schalke-Virus, sondern er sie. Und auch die Jugendfeier lief eher ungewöhnlich ab. So ungewöhnlich, dass ihm in der Schule niemand glauben wollte, dass das wirklich passiert war – aber wozu gibt’s Fotoapparate?
Seit über elf Jahren bin ich jetzt schon Schalker und habe in dieser Zeit seit 2002 schon viel erleben dürfen. Ob Höhen oder Tiefen, stets habe ich unseren Königsblauen die Treue gehalten, was hier in meiner Heimat- und Geburtsstadt Berlin oftmals mit einem misstrauischen Blick begleitet wird. Wie es nun einmal üblich ist erreicht jeder in seinem Leben einen Punkt, an dem man in die Gesellschaft der Erwachsenen aufgenommen wird. In manchen Regionen heißt dieser Konfirmation oder wie in meinen Fall Jugendfeier. Das von mir besuchte Gymnasium bot hierfür alle Schülern an, dass diese im nahegelegenen Kino stattfinden könne und sie Klassenweise vorgenommen werden solle. Weder ich noch meine Eltern waren darüber sonderlich begeistert. Die ganze Nummer sollte zudem 150€ pro Nase kosten. Nee, das Geld konnte man weit besser verwenden. Also ließen wir diese sinnfreie Aktion aus, packten unsere Fanklamotten ein und ab ging es Richtung Gelsenkirchen. Dieses Wochenende sollte das bisher atemberaubendste in meinem bis dato noch jungen Leben werden, was ich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht ahnen konnte.
Es war der 33. Spieltag der Saison 2003/2004 und der 1.FC Kaiserslautern als akuter Abstiegskandidat gastierte auf Schalke. Es sollte erst mein zweiter Besuch des schönsten Stadions der Welt sein und ich war schon am Frühstückstisch in unserer Ferienwohnung in Gladbeck mehr als aufgekratzt. Meine lieben Eltern hatten dann beschlossen, diese Nervosität noch zu steigern. Mein Papa erklärte mir mit seelenruhiger Stimme, dass ich vor dem Spiel einen Termin hätte. „Was für einen Termin?“, schoss es mir durch den Kopf. Bei wem? Bin ich krank? Warum heute? Vor dem Spiel!?
Ohne mein Wissen hatte mein Papa Wochen zuvor beim FC Schalke 04 angefragt, ob es möglich wäre, vor dem Spiel mit Rudi Assauer, unserem einmaligen und unvergessenen Manager, der damals noch die Verantwortung trug, zu sprechen. Das Unglaubliche daran war, dass mein Papa tatsächlich eine Zusage erhielt und mir dies nun seelenruhig am besagten Frühstückstisch sagte. Da wurde mir kurz schwarz vor Augen und arg schwindlig. Ich und Rudi Assauer an einem Tisch – unglaublich! Dazu auch noch an einem Spieltag.
Bis zum Mittag hatte ich mich soweit es ging beruhigt, aber kurz vor unserem Treffen war ich doch wieder nervös. Ich rechnete bis zu Letzt damit, dass sich entweder mein Papa einen üblen Scherz mit mir erlaubte oder wir vorher irgendwie doch abgewimmelt werden würden. Aber an der Geschäftsstelle öffnete man uns tatsächlich die Türen und wir (meine Mutter und mein Papa waren natürlich mit dabei) wurden in ein Büro auf der obersten Etage „geparkt“. Meine Mutter als Raucherin setzte sich an den großen Konferenztisch mir gegenüber und machte sich über den Aschenbecher her. Es vergingen unendlich lange 5 Minuten. Dann stand er in der Tür.
Vielleicht spielte mir mein Unterbewusstsein einen Streich, aber es schien als hätte er eine Aura um sich, die mit Händen zu greifen wäre. Nach einer kurzen aber sehr herzlichen Begrüßung von ihm setzte er sich als erstes neben mich, blickte über den Tisch, sah die Zigarette meiner Mutter in dem Aschenbecher auf der anderen Seite und sagte: „Frauen sollen nich so viel rauchen!“ und griff in seinem Anzug quer über den Tisch, zog den Aschenbecher zu sich und steckte sich eine Zigarre an. So war er. Dann sprachen wir über alles Mögliche über die aktuelle Saison, die nächste Saison und er fragte mich nach meinen fußballerischen Fähigkeiten, worauf ich ehrlich sagte, ich sei ein besserer Fan als Fußballspieler, was bis im Übrigen bis heute so geblieben ist. Ursprünglich waren 5 Minuten zugesagt, woraus aber 30 bis 45 Minuten wurden. Zum Schluss und Abschied fragte er uns noch, ob wir denn schon ein „kleines Geschenk“ erhalten hätten, was wir verneinten. Wir hatten auch keines erwartet, aber Rudi war schon den Flur runter, ja er rannte sogar fast. Als er wieder kam überreichte er uns das Buch, welches zum 100. Geburtstag des geilsten Clubs der Welt erschienen war. Außerdem unterschrieb er noch unseren Schalker Kreisel vom Spieltag und verabschiedete uns ganz ohne Hast und sehr freundlich (er hatte einen sehr festen und bestimmten Händedruck).
Wir brachten noch schnell unseren unerwarteten wertvollen Besitz ins Auto und ab ging es in die Nordkurve (noch heute bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich die Nordkurve betrete oder auch nur an den Moment vergangener Tage denke). Das Spiel war das erste Heimspiel nach dem 4.05.2004 und die Stimmung kochte trotz des siebten Tabellenplatzes enthusiastisch hoch (tief im Süden hinter Franken undenkbar). Dank Wenzel (Eigentor), Ebbe Sand, Sven Vermant (Elfer) und noch mal Ebbe gewannen wir 4:1. Doch nicht nur deshalb wird mir dieser Tag unvergesslich bleiben.
Umso mehr stimmt es mich traurig, dass „Assi“ an Alzheimer erkrankt ist und ich wünsche ihm, wie sicherlich alle Schalker, alles erdenklich Gute. Ihm und natürlich meinen wunderbaren Eltern verdanke ich es, dass ich meine Jugendfeier und die Aufnahme unter den Erwachsenen von dem letzten großen Macho der Liga bekam.
Hier noch das Foto, welches mich im Alter von 13 Jahren in komplett Königsblau neben Rudi Assauer zeigt:
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
was für ein Treffen !!! Das ist kein Hammer, das ist eine ganze Werkzeugkiste !!!!!