Die schönsten 4.38 min

Harald Vonhoegen wurde mit 7 vom Nachbarn zum Schalker gemacht, war in der Grundschule allein unter Kölnern, Gladbachern und Bayern, hat alle Höhen und Tiefen mitgemacht und ist froh, dass es beides gab.

Eine Story von der Liebe zum S04, in der es – der Titel macht’s schon klar – um selten erlebte Höhen und Tiefen geht…


Über diesen Samstag im Mai, den 19.05.2001, können bestimmt viele schreiben. Ich möchte aber trotzdem gerne meine „besondere“ Geschichte erzählen.

Ich fuhr von Aachen aus früh in Richtung Gelsenkirchen, so dass ich um 11 Uhr am Stadion war, um noch eine Karte zu bekommen. Es war das letzte Spiel im Parkstadion und die letzte kleine Chance auf die Schale. Ich wusste, es ist unsere Schale und ich weiß es bis heute.

Vorher noch ein Bier bei Mama Karin auf der Minigolfbahn mit Kumpels und dann alleine ins Stadion, weil die Jungs andere Plätze bzw. Dauerkarten hatten. Das war der beschissenste Platz, hinter den Zäunen – kaum Sicht, aber egal. Hauptsache ich war dabei. Ich saß noch nicht richtig da bekam ich ein mulmiges Gefühl und hatte Recht – Peng nach wenigen Minuten das 0-1 für Haching und dann sogar das 0-2. Das war mein Signal. Ich musste hier raus. Ich wusste, dass ich hier drin kein Glück bringe. Das weiß ich öfter und dann muss ich was tun.

Ich ging zum Haupttor und wollte meine Karten an Fans, die draußen standen, abgeben, damit wenigstens noch jemand anderer etwas davon hatte. Das war aber nicht erlaubt. Die Karte würde beim Verlassen des Stadions wertlos werden. So stand ich da und wusste nicht weiter. Ich konnte nicht rein, wegen dem schlechten Gefühl, und raus konnte ich auch nicht. Auf einmal ruft mich ein junger Mann, der neben einem Getränkewagen – sowas gab es damals – saß und ich ging hin. Es war der Besitzer, der während des Spiels mit seiner Tochter neben dem Wagen auf Bierkisten saß und Radio hörte. Er sagte, ich solle mich einfach dazusetzen und gab mir ein Bier. Gesagt, getan und ich wusste, das war die Lösung und prompt fiel das 1-2 und das 2-2 bis zur Halbzeit.

In der Pause ging ich zurück zu den Kumpels hinter der Nordkurve und versprach dem Bierwagenbesitzer nebst Anhang rechtzeitig zum Beginn wieder da zu sein. Schon in der Pause entlud sich die erste Anspannung und ich hab glaube ich nur geheult. Mit Wiederanpfiff setzte ich mich erstmal wieder auf den Sitzplatz im Stadion und redete mir ein, dass das alles doch nur Aberglaube ist. Peng. 2-3 für Haching.
Also schnell zurück zum Bierwagen, wo ich schon erwartet wurde. Der Rest ist bekannt 3-3, 4-3 und 5-3 und dann der Schlusspfiff.

Na, dachte ich, jetzt kann nix mehr passieren. Wir sind zwar kein Meister, aber immerhin haben wir Alles gegeben. Ich verabschiedete mich und ging zurück hinter die Nordkurve. Auf dem Weg dahin hörte ich dieses Raunen. Ich höre es noch heute. Erst leise und dann immer lauter. Tor in Hamburg. 1-0 für den
HSV.

Ich fing an zu laufen und neben mir gingen Böller hoch. Das musste es sein. Das war sie. Die Meisterschaft!

Dass diese Böller der Verabschiedung des Parkstadions galten, wusste ich damals nicht. Ich lief noch schneller und wurde auf einmal von Hardy, meinem bestem Kumpel, umgerannt. Er schrie mich an: „MEISTER MEISTER MEISTER“ und drückte mich so sehr gegen den Zaun, dass mir die Lippe aufplatzte. EGAL, MEISTER! Das war Glück pur und dann kam die Keule, mitten ins Gesicht. Ich werde nie das Gesicht von Verna vergessen, die verheult auf uns zu kam und sagte, dass in Hamburg noch ein Tor für die Bauer gefallen ist. Wie kann das sein, das Spiel war doch aus, oder? Tja, war es leider nicht. Mir kam sofort nur ein Gedanke. Das ist alles meine Schuld. Ich war zu früh wieder im Stadion. Ich hätte bei den Bierleuten bleiben sollen, dann wäre das so nicht passiert.

Also hier mein offizielles „Sorry“ an alle Schalker. Ab trotz allem waren das neben der Geburt meiner Kinder die schönsten 4.38 min in meinem Leben. Das ist Schalke, das ist mein Verein und ich wünsche allen diesen Fans, dass Sie diese Schale bald in der Hand haben.
Glück auf.


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

Eine Antwort zu “Die schönsten 4.38 min

  1. Jau, so war es!!!
    Dieses Raunen beim 1:0 des HSV bleibt unvergesslich.
    Emotionen im Fussball kann es viel größere nicht geben!
    Nur andersrum wäre mir lieber;-)

    GA,
    Enatz

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