“Rossenray“ hat das gleiche ehrwürdige Alter wie die Glückaufkampfbahn und hat die Schalker wahrscheinlich öfter gesehen als diese.
…und doch erzählt er heute von einem Spiel, das er gar nicht sah, das aber dem FC Schalke 04 und ihm selbst dennoch viel bedeutet. Ein großer Club aus England zu Gast in Gelsenkirchen.
Der Schalker Kreisel hat Recht in seinem Vorbericht zum heutigen Champions-League-Heimspiel gegen Arsenal: Es gibt wahrscheinlich nicht mehr viele Schalker Fans, die sich an das Spiel gegen den FC Brentford erinnern können. Ich gehöre aber zu ihnen, obwohl ich damals im Mai 1937 erst acht Jahre alt war. Nicht, dass ich das Spiel gesehen hätte. Dennoch sind meine Erinnerungen im wahrsten Sinne des Wortes durchschlagend.
Der FC Brentford gehörte damals zu Englands Spitzenmannschaften, soviel wusste ich aus den Erzählungen meines Vaters. Viel sagte mir das jedoch nicht. Die Tatsache, dass wir diese tolle Mannschaft mit 6:2 besiegten, ließ mich damals wahrscheinlich aufhorchen, denn das Zählen hatte ich inzwischen schon gelernt. Aber das war es auch schon mit der fußballerischen Bedeutung des Spieles für mich. Wichtiger waren ein paar äußere Umstände, die in meinem persönlichen Umfeld hinzukamen.
Mein Vater, der damals Fußballfachwart des Kreises Emscher-Lippe war und die Schiedsrichteransetzungen von Rheine über’s Ruhrgebiet bis nach Bielefeld vornahm, der selbst auch Schiedsrichter war, gehörte zu den Ehrengästen des Brentfordspieles. Und für ihn war das Spiel nach dem 6:2 noch nicht beendet. Er gehörte nämlich auch zu den Ehrengästen des Banketts, das nach dem Spiel, ich meine, im Hans-Sachs-Haus stattfand. Die Vorstände der beiden Vereine waren vertreten, die Mannschaften, viele wichtige Persönlichkeiten, ja, und mein Vater. So sehr beeindruckte mich das damals nicht. Die für mich wichtigen Erinnerungen setzen erst am folgenden Tag ein, als mein Vater stolz das Gastgeschenk präsentierte, das auch er mit nach Hause nehmen durfte: Eine Bruyèrepfeife. Sie war ein Prachtstück, aus hellbraunem Holz, mit einer wunderschönen Maserung, sie glänzte noch gänzlich unbenutzt. Mit Genuss stopfte mein Vater sie und begann, sie einzurauchen. Mir kleinem Jungen imponierte das alles, und ich nahm mir vor, irgendwann, bei einer passenden Gelegenheit, meinem Vater nachzueifern. Aber es sollte keine einfache Zigarette sein, ich wollte auch keine der anderen Pfeifen meines Vaters, die mich nie interessierten, benutzen. Nein, es sollte genau diese Bruyèrepfeife sein. Und die Gelegenheit ergab sich bald, und im Laufe des Jahres häuften sich sogar die Gelegenheiten, immer dann, wenn meine Eltern ausgingen, ins Kino, ins Theater, vielleicht auch zu irgendwelchen anderen Banketten. Immer dann schlich ich mich zu der Schatulle mit der Bruyèrepfeife, immer wieder suchte ich die Wohnung nach Tabak ab, nie fand ich welchen, mein Vater hatte ihn sehr gut versteckt, und immer wieder blieb mir als Tabakersatz nur der Pfefferminztee, der natürlich nicht wie heute in Beuteln verpackt war, sondern lose in einer Teedose aufbewahrt wurde. Ich rauchte also diesen Pfefferminztee, in dieser wunderschönen Bruyèrepfeife, immer wieder lüftete ich anschließend gut die Wohnung, immer wieder säuberte ich die Pfeife nach dem Gebrauch mit großer Sorgfalt und beseitigte alle verdächtigen Spuren. Ich wundere mich noch heute, dass meinem Vater, der so pingelig war, nie etwas aufgefallen war. Auch meiner Mutter fiel zu meinem Erstaunen nicht auf, dass der Pfefferminzteebestand vorübergehend rapide abnahm. Ich wundere mich jedoch auch jetzt noch nicht, dass meine damaligen Rauchversuche anfangs eine durchschlagende Wirkung hatten und sehr rasch auf der Toilette endeten.
Die Bruyèrepfeife bildete damals den Anfang meiner langen Raucherkarriere, und der FC Brentford trug die Schuld daran. Gott sei Dank ist es mir jedoch schon vor vielen Jahren gelungen, diese leidige Karriere zu beenden.
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Aber heute könnte man doch nochmals – der Anlass ist mit dem Besuch des FC Arsenal sicher gegeben… 😉