Ein Leben lang

“Dagmar Sch.“ wurde zu Zeiten der Oberliga West groß, lebt in der Nähe von Bonn, hat drei Kinder, mag den Karneval und fährt, wenn es der Dienst in der Pflege zulässt, auch zu Schalker Auswärtsspielen.

Ein Schalker Leben.


Habe zum totalen Entsetzen meines Vaters den Bravo-Starschnitt von Helmut Kremers an die Wand gemacht. Weil ich auf Männer mit langen Haaren stand.

Habe mit meinem Vater das Müngersdorfer Stadion besucht, Schalke gewann 2:0, ich war begeistert. Aber nicht über das, was anschließend von den Kölner Fans ausging. Die haben sich untereinander verkloppt, und das war nicht schön. Ich werde nie vergessen, dass ein blonder Junge auf dem Boden lag und die eigenen Fans von Köln da noch immer drauf traten.

Dann habe ich gebettelt bei den Kumpels von meinem Vater, dass sie mich mitnehmen. Das dauerte, aber irgendwann durfte ich mit ins Parkstadion. Da habe mich da so dermaßen verlaufen, ich habe zwei Stunden gebraucht, um die Leute wieder zu finden, die mich mitgenommen hatten.

Ich habe eine Familie gegründet und Kinder bekommen. Mein Schalke habe ich weiter verfolgt, immer im Radio, bei WDR 2. Habe Abstieg und Aufstieg, wieder Abstieg – auch fast in die dritte Liga – erlebt.

Dann kam die Trennung von meinem Mann. Ich habe eine neue Ausbildung begonnen, meine Kinder versucht, auf einen guten Weg zu bringen, war fünf Jahre allein. Und dann hat mir das Internet bei einem Chat einen Mann zukommen lassen, der Schalker war. Das stellte sich für mich als eine große Liebe heraus. Es ist die Liebe meines Lebens, wir haben geheiratet, er hat mir Stehplatzkarten besorgt mit seiner Dauerkarte, ich war glücklich, konnte aus der Kurve meine Schalker sehen, obwohl meine Ansichten mit denen von meinem Hans immer sehr kontrovers waren. Der hat gemeckert und ich war stolz.

Ich war so froh, dass ich in der Kurve das Spiel gegen Leverkusen miterleben durfte, das war das Größte für mich. Auch das Spiel gegen Mailand wo der Poulsen diese Geste gegen Kaka machte. Mich hat das gefreut, dass ein Schalker Spieler keine Angst hatte vor so einem großen Spieler. Mein Hans und ich hatten noch einige Spiele, die wir im Anschluss anders als der andere gesehen haben und wo dann Gesprächsbedarf da war.

Dann kam der Morgen am 6. März 2006. Da stand mein Hans auf und fiel auch wieder hin. Da ich aus der Pflege komme wusste ich sofort was los war. Das Brutale war, dass mir die Leute aus dem hinzu gerufenen KTW, dem Krankentransportwagen, nicht glauben wollten. Dann haben sie eine Ärztin dazu gerufen, somit verging noch mehr Zeit, die hat mir dann Recht gegeben, aber sie hatten kein Bett frei auf einer Intensivstation. Da habe ich in der Klinik angerufen, in der ich arbeite, da gab es ein Bett, nur, es hat nicht viel gebracht. Nach vier Tagen musste ich meinen Hans gehen lassen.

Schalke hat mir seine Dauerkarte überschrieben.

Ich bin auch, wie, weiß ich nicht, nach der Beerdigung, eine Woche später mit seiner Karte zum Heimspiel gegen Stuttgart gefahren. Ich weiß noch, dass wir das Eins zu Null gewonnen haben, aber mir ist nicht bewusst, wie ich hin kam und wie zurück. Bis heute noch nicht. Ich weiß nur noch, das Lied „Königsblauer S04“, das lief auf der Beerdigung.

Aber seitdem fahre ich regelmäßig. Ich bin glücklich, dass ich mein Schalke habe. Es hat mir aus meinem Loch, in das ich nach dem Tod meines Hans fiel, geholfen.

Und es wird mir immer helfen – ein Leben lang.


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

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