Natascha Kappelhoff leidet seit bald 20 Jahren unter der Zweitehe (oder ist es gar die erste?) ihres Mannes mit Schalke 04. In den Genuss von gemeinsamen Städtefahrten gelangt sie vor allem durch die Begleitung zu Auswärtsspielen. Auch über zahlreiches Suchen nach der Nadel im Heuhaufen (gemeint sind Pins unzähliger Fußballvereine) an verschiedensten europäischen Urlaubsorten könnte sie Romane verfassen. Dankbar ist sie, dass ihre beiden gemeinsamen Kinder nicht Jiri und Ernestine heißen. Es reicht ihr schon, dass ihr Sohn seinem Papa den Zusatz „-dopoulos“ gibt.
Vom Schalke-begeisterten Ehemann überredet zu einem Besuch in der Fankneipe. Natascha, eher interessiert an der Atmosphäre als am Spielverlauf, führt Protokoll…
3. März 2012, Besuch einer Fan-Kneipe in Gelsenkirchen aus der Sicht einer einen Riesen-Fan begleitenden Ehefrau, Übertragung Freiburg-Schalke.
Ca. 40 Personen an mehreren Tischen und an einer blau gestrichenen Theke, dunkelbraune Hocker mit blauen Sitzpolstern vor der Theke, Fernseher und Großbildleinwand, Vitrinen aus dunklem Holz, Glücksspielautomaten und ein Zigarettenautomat, an den Wänden eingerahmte Fotos von Schalker Legenden, Schalke-Schals, Wimpel, auf den braunen Tischen blaue Stofftischdecken, Veltins-Bierdeckel.
die meisten Besucher im Schalke-Trikot, fast alle Gäste mit frisch gezapftem Veltins vor sich.
von allen Tischen steigen starke Rauchschwaden nach oben, hinein in Schalke-Deckenlampen.
an der Theke:
Frau im blauen Trainingsanzug, weiße Sportsocken, weiße Turnschuhe, auf dem Boden hinter ihr ein zusammengerollter großer Hund,
ältere Dame auf Hocker, blau gefärbter Pony, schwarze Brille, Schalke-Trainingsjacke, Stoffhose, Nylonstrümpfe, weiße Hausschuhe, Apfelschorle
zwei unauffällige Männer, einer in schwarzer Lederjacke, Cola vor sich
an einem Tisch in der Mitte mehrere Personen, stark rauchend, junge blond-haarige Frau im Papadopoulos-Trikot
an einem Tisch vorne links im Raum vier Personen: auf der einen Seite älterer Mann in weinrotem Auswärtstrikot auf einem Stuhl, auf der anderen Seite auf einer Bank: Vater mir rasierten Haaren im Trikot, erwachsener Sohn mit rasierten Haaren im Trikot, schwarzhaarige Mutter mit Schalke-Kappe, Trikot, Schal, Stöckelschuhen
zwei Kellner, einer im Trikot, einer in königsblauemT-Shirt mit der Aufschrift: „Weil es unser Leben ist.“
1. Halbzeit:
„Junge, wat machs du da?“
„Der erste muss sitzen!“
„Na, wie sieht´s aus?“
Weitere Fans kommen in die Kneipe
„Los jetzt, Mann. Hallo?!“
„Der Koloss von Rhodos.“
„Mahlzeit!“
Mann mit Bierbauch am Spielautomaten
Ältere Frau, Blick auf Fernseher: „Wat ham die denn da? Schnee?“
Kellner blickt verwundert zu mir (ich mache mir Notizen)
1:0 für Freiburg, 18. Minute
fast keine Reaktionen
Mann in Lederjacke dreht ununterbrochen Zigarettenschachtel mit der rechten Hand, hält brennende Zigarette in der linken
Vater mit drei leeren Bierkrügen durch den Raum zur Theke
„Geh rein!“
„Schieß doch!“
Mutter in Stöckelschuhen zur Toilette
Höwedes mit Maske im Bild
an den Tischen zahlreiche Köpfe von Händen gestützt
„Da war nix.“
„Da war gar nix.“
Mutter in Stöckelschuhen zurück zum Tisch
„Mann ey!“
Frau im blauen Trainingsanzug zur Toilette
Eltern und Sohn Kümmerlingdeckel auf der Nase, Kopf im Nacken, Kümmerling-flasche im Mund
Sohn zur Toilette
Mann im weinroten Trikot am Tisch nimmt Deckel an sich
gelbe Karte für Papadopoulos
Rauchschwaden
Mann im weinroten Trikot zupft Flusen von dem T-Shirt des Kellners
Mutter in Stöckelschuhen verlässt die Kneipe
„Aha. Aha. Aha.“
„Guck ma. Is der bescheuert!“
Vorbeikommender Mann streichelt Hund
Motorrad röhrt draußen
„Rauuuul!!!“
Ältere Frau steht auf, umarmt Frau in blauem Trainingsanzug
Mutter in Stöckelschuhen kommt mit großer Pommes zurück
Ältere Frau geht raus, Schlüsselbund in linker Hand
laut hupende Autos vor der Tür
Halbzeitpause
Mann in weißem Pulli am Spielautomat
Sohn mit drei Kümmerlingen zum Tisch, Vater küsst Sohn
ältere Frau kommt mit Leckerli für den Hund zurück
Sohn zur Toilette, Mutter isst Pommes
Mehrere Minuten fallen Münzen aus dem Spielautomat
Mann spricht Hund an
Ältere Dame füttert Hund, streichelt ihn
Kellner blickt weiterhin verwundert zu mir
Familie kippt Kümmerlinge, Mann im Auswärtstrikot nimmt Deckel an sich
Sohn umarmt Vater, die drei haken sich unter, schunkeln zur Werbemusik
Frau in blauem Trainingsanzug; „Der is so eine treue Seele!“
2. Halbzeit
Vater steckt Sohn Zigarette in den Mund, Sohn spricht Kellner an: „Tust du die mal mitnehmen?“ (streckt Kellner leere Kümmerlingflaschen hin)
Mann mit blauem Kapuzenpulli am Spielautomat
„Scheiße!“ Frau im Papadopoulos-Trikot beklagt sich laut
Mutter umarmt Sohn, Augen halb geschlossen, zupft an seiner Nase, hickst, streicht über die rasierten Haare, Blick auf den Tisch
„Hömma! Komm, Omma!“
Ältere Frau zurück zu ihrem Hocker
„Ja, ich bin tierlieb. Mich beißt kein Hund!“
Kellner kommt zu unserem Tisch: „Darf ich ma fragen, was ihr da schreibt? Ich seh dat nur! Du gucks immer in die Runde und dann schreibse wat auf!“
Papadopoulos-Trikot-Trägerin der Verzweiflung nahe
Eltern versuchen über Sohn hinweg zu kommunizieren
Vater zur Theke
Elfmeter für Freiburg
Tor für Freiburg
Ältere Frau klatscht und singt
mehrere Gäste verlassen Kneipe
Vater mit drei Kümmerlingen zum Tisch
Mutter Kopf in der Hand, Augen geschlossen
Klopf, klopf, klopf
Kümmerlinge rein, Deckel zu Bärtigem
Vater verteilt Zigaretten
Mann in Lederjacke knallt Hocker auf Boden, alle Augen zu ihm
„Scheiße, Mann!“
„Pukkiiiiii!!!!!!!“
Tor für Schalke
„Noch 20 Minuten.“
„Schieß doch!“
Ältere Frau: „Der Kuzorra läuft sich gerade warm!“
„Der Eigenrauch sitzt auffe Bank. Und wo is der Anderbrügge?“
Ältere Frau: „Ach, dat sind doch kleine Jungs!“
„Der sieht fürchterlich aus mit den kurzen Haaren!“
„Könnt mich aufregen.“
„Lauf doch ma einer!“
Ältere Frau: „Ich will den Tim Wiese.“
„Dat hat der gehört, weil du dat gesacht has.“
Rauchschwaden überall
Frau in blauem Trainingsanzug streichelt Hund
Schalke vergibt Chance
„AHHHHHH!“
Ältere Frau: „Jetzt isses so weit!“
Rot für Papadopoulos
„Guck doch selbst. Sach ma, muss ich für dich mitgucken?“
Papadopoulos-Trikot: helle Aufregung
„Kann ma einer den Hildebrand rausnehmen?“
Ältere Frau: „Ja, wen willse denn reinnehmen – den Opa, den Schober?“
Papadopoulos-Nachbar eine Minute vor Abpfiff zur Toilette
anderer von der Toilette zurück: „Schatz, ich hab daneben gemacht.“
Spielende
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
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