Der etwas andere UEFA-CUP Sieg

„Chris aus Nordbaden“ ist kein Vereinsmitglied, aber seit Jahrzehnten, seit einem denkwürdigen Kantersieg im fernen Süden, trotzdem vereinstreue Königsblaue, egal wer gerade auf der Trainerbank sitzt.

Schalke im Finale, Rückspiel in Mailand, und Chris ist unterwegs in Rom…


Rom 21.Mai 1997 – Ein Tag, an dessen Verlauf ich mich nicht mehr erinnere. An was ich mich erinnere, das fand erst am Abend statt, zwar nicht in Rom, aber sehr wohl in Italien.

Rom, die antike Stadt, die immer eine Reise wert ist. Diese Chance nutzte ich kurzfristig, denn der Bus einer katholischen Jugendgruppe wurde mit reisewilligen Menschen aufgefüllt, die in irgendeiner Weise mit der Gruppe verbunden waren. Meine Nichte, die als Begleitung fungierte und der einzige weitere Schalke-Fan in meiner Familie ist, überzeugte mich, diese Pilgerreise mitzumachen. Es fiel mir nicht schwer, Italien ist ein schönes Land und Rom allemal reizvoll.

Wir weilten schon einige Tage in der italienischen Hauptstadt, hatten allerhand gesehen, die Vatikanischen Gärten, die Museen, den Petersdom, auch den Papa live, aber an diesem Mittwoch Abend waren unsere Gedanken nicht in Rom, sondern in Mailand. Wir trennten uns von der Reisegruppe und suchten eine kleine Bar auf, die einen Fernsehapparat ihr Eigen nannte, der auch eingeschaltet war. Bei unserem Eintreten flogen die Köpfe der einheimischen, vorwiegenden älteren Männer in unsere Richtung. Wir setzten uns so nahe wie möglich vor den Fernseher und bestaunten dieses riesige, steile Stadion, das bis auf den letzten Platz besetzt war. Es kam uns so vor als hätten wir ein Heimspiel, denn die Fangesänge unserer Fans verursachten selbst durch die Mattscheibe Gänsehaut…. Als die italienischen Männer verinnerlichten, dass hier zwei echte Schalker unter ihren Reihen saßen, tuschelten sie schamlos über die deutschen Weiber. Wieso konnten diese „Tedesca“ sich einfach zwischen sie drängen und sich aufführen als hätten sie den CUP schon gewonnen? Was allerdings kein Wunder war nach der ersten sehr guten halben Stunde für die Unseren. Die wussten ja nicht, dass meine Nichte Italienisch studiert hatte und sie mich lückenlos über die geringschätzigen Äußerungen informierte. Wir lachten uns schlapp über diese südländischen Macho-Gockel. Übrigens, zu dieser Zeit kannte in unserem ländlichen Zuhause und wahrscheinlich im ganzen Land noch kein Mensch einen Latte Macchiato – wir tranken den im Mai 1997 zuhauf in Rom, am liebsten kalt mit Eiswürfeln. Die drei Schichten waren auch im kalten Zustand exakt eingeschenkt, nur der Schaum fehlte.

Nach dem 1:0 für Mailand, kurz vor Ende der regulären Spielzeit trafen uns dann eher mitfühlende Blicke, denn niemand von den anwesenden Fachleuten in Sachen Fußball setzte auf unsere Elf auch nur noch einen Pfifferling: Sie sprachen davon, wie sie die Deutschen in der Verlängerung auseinandernehmen würden, und sie uns dann zum Abschied mit einem Taschentuch nachwinken würden. Als in der Verlängerung bis auf einen Lattenschuss nichts mehr passierte und es dann zum Elfmeterschießen kam, waren die überheblichen Stimmen abgeklungen und die Römer zitterten und hofften genauso wie wir, dass die richtige Mannschaft das bisschen Glück hatte, was im Elfmeterschießen gebraucht wird, um erfolgreich zu enden.

Unsere Eurofighter brauchten dieses Glück überhaupt nicht, alle Elfer wurden verwandelt und Lehmann zeigte sich von seiner besten Seite. Als der Schuss von Marc Wilmots im Netz zappelte war es vollbracht. Birgit und ich erhoben uns jubelnd, hüpften durch die kleine Bar und Birgit sprach die Fachleute dann in perfektem Italienisch an und sagte sinngemäß: „Na, das hättet ihr uns nicht zugetraut?“ Eine Sekunde war es totenstill, dann fielen alle in unser lautes Gelächter mit ein und wir hatten noch einen netten Abend mit den Senioren auf dem Esquilin Hügel, und lernten auch härtere italienische Getränke kennen!

Am nächsten Morgen besuchten wir immer noch glückselig die Basilika Santa Maria Maggiore, die gleich um die Ecke war und dankten der Namensgeberin für den tollen Erfolg unserer Elf am Vortag.


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

2 Antworten zu “Der etwas andere UEFA-CUP Sieg

  1. Schöne Geschichte! Da ich oft in Italien in Urlaub war, kann ich mir den Abend in der Bar lebhaft vorstellen ;-).
    Gianna1904

  2. Da huscht einem ein Schmunzeln übers Gesicht! Eine fein geschriebene Geschichte, Danke!

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