Daniel Heupel ist als gebürtiger “Fischkopp” mittlerweile zum Rheinländer mutiert und seit über 20 Jahren im schönen Bonn verwurzelt. Mit dem Schalke-Fieber einst von Papa, Opa und dem Rest der GE-Family infiziert, hat er heute seine Schalkefamilie um einen Fanclub aus Köln erweitert und reist mit diesem durch Land und Liga.
Europapokal, Nachspielzeit, ein Tor muss her – und dann geschieht es. Damals, im März vor 14 Jahren…
Wir schreiben den 17.03.1998. Die letzten Wochen haben wir uns gegen mehr oder weniger große Namen des eurpäischen Spitzenfussballs durchgesetzt. Hadjuk Split, RSC Anderlecht und dann noch der Sporting Club de Braga. Alle sportlich erfolgreich hinter uns gelassen um nun erneut auf unseren Finalgegner aus der letzten Saison zu treffen, auf Inter aus Mailand. Allein das Erreichen des Viertelfinals ist schon ein Riesen Ding. Die beiden großen Spiele der vergangenen Saison also noch vor Augen, sollte es erneut gegen den eigentlich übermächtigen Gegner gehen. Ob man gegen die wirklich zweimal hintereinander erfolgreich bestehen kann? Vor allem nach der Demütigung ein Jahr zuvor? Die müssten doch motiviert bis in die Haarspitzen sein. Ich hatte meine Zweifel. Aber was solls, wir hatten nix zu verlieren. Wir konnten nur gewinnen! Also galt es einfach wieder eines dieser unbeschreiblichen Europacup-Erlebnisse im Parkstation zu genießen. Scheiß egal wie es ausgeht…
Das Hinspiel wurde zwar verloren, aber da musste das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Ein 0:1 im San Siro lässt Raum für Träumereien…
Mit diesem Gefühl wurde ich Tage vor dem Spiel schon nervös und kribbelig. Uefa-Cup-Spiele im Parkstadion waren einfach unvergleichlich. Ich in meiner noch jungen Fankarriere konnte mir nichts geilers vorstellen. Mit meinen 15 Lenzen konnte ich zwar noch nicht auf unzählige außergewöhnliche Erlebnisse zurück blicken, aber es waren schon ein paar Highlights dabei. Mein erstes Spiel überhaupt gegen Darmstadt 98, nach dem wir den Aufstieg zurück in die 1. Liga feierten. Oder das legendäre Spiel gegen die Bayern im Jahr ´96, in dem uns Andi Müller nach Europa köpfte. Heimspiele in der Uefa-Cup Saison ´96/´97… Zum Beispiel die Geburtsstunde des „Steht auf wenn ihr Schalker seid“ gegen Teneriffa oder den Finalsieg im Parkstadion miterleben. Es waren also schon ein paar Spiele darunter, an die man ewig zurück denken wird und der Uefa-Cup hatte immer das Potenzial eben genau solche Spiele hervor zu bringen.
Zum Spiel gegen Inter sollte es mit versammelter Mannschaft gehen. Das hieß: Mit Papa, ebenfalls Schalker durch und durch, mit Mama und der kleinen Schwester. Nach der Schule ging es also los. Ab ins Auto und die knapp über 100 Kilometer von Bonn nach Gelsenkirchen zurücklegen. Meine Anspannung war mittlerweile unerträglich. Teilweise war mir echt kotzübel. Ich hatte irgendwie das seltsame Gefühl, dass es wieder ein ganz großer Abend werden könnte. Im Radio wurden schon diverse Vorberichte zum Spiel gebracht und es war von einem blau weiß geschmückten Stadion die Rede. Ich fands nur geil und meine Vorfreude steigerte sich ins unermessliche.
In GE angekommen wurde wie immer am Sportparadies geparkt und dann legten wir die restlichen Meter zu Fuß zurück. Ich bildete mir ein, diese besondere Stimmung, dieses Europacup-Feeling, schon schmecken zu können. Es lag etwas ganz Besonderes in der Luft.
Unsere Plätze sollten in der Südkurve sein, unmittelbar neben dem Gästeblock, in dem sich bei unserer Ankunft schon recht zahlreich die Italiener versammelt hatten.
Ich konnte es kaum erwarten bis endlich unsere Mannschaftsaufstellung verkündet wurde und alle Schalker das Vereinslied in den Abendhimmel schmetterten. Ich hatte das Gefühl, dass alle mit Leidenschaft und Hingabe hinter unserem Club stehen und man merkte irgendwie allen an, dass diese Spiele was ganz Besonderes waren. Genau wegen dieser Atmosphäre war ich hier, genau deshalb liebte ich Schalke!
Die 90minütige Spielzeit ist schnell erzählt… Es passierte nichts, zumindest nichts zählbares. Yyyves Eigenrauch nahm den Superstar Ronaldo aus dem Spiel und bestritt wohl das beste Match seiner Karriere. Wir kämpften aufopferungsvoll und hatten mehrere Chancen, um in Führung zu gehen. Es sollte aber zunächst nicht sein. Eigentlich hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben. Inter sicherte sich in der Nachspielzeit am eigenen Strafraum den Ball und setzte zu einem letzten Konter an. Das schien das Ende zu sein.
Aber es kam anders!
Inter vertändelte den Ball im Vorwärtsgang und der Schiri machte noch keine Anstalten das Spiel zu beenden. Es wurde nochmal laut und die 11 Schalker auf dem Rasen wurden nach vorne gebrüllt. Der Ball wurde also über die rechte Seite nach vorne getrieben und kam über ein zwei Stationen zu Goossens, der sich am rechten Strafraumeck aufhielt. Von hieran lief alles irgendwie in Zeitlupe ab… Das Spiel war mittlerweile in der 93. Minute, es war die wirklich allerletzte Chance. Goossens nahm den Ball an und zog dann mit dem rechten Fuß ab. Ich hatte von meinem Platz in der Südkurve genau mittig hinter dem Tor den besten Blick. Der Ball wurde länger und länger und schlug dann oben rechts im Winkel ein! TOOOOR!!!!
Was dann passierte ist eigentlich nicht mit Worten zu beschreiben. Die alte Schüssel explodierte. Gute 57.000 Menschen, abzüglich der paar Italiener, rasteten aus. Welch ein Aufschrei, welch ein Jubel! Ein unbeschreibliches Erlebnis. Ich hing irgendwie zwischen Papa, Mama, Schwester und lauter Wildfremden, die einen umarmten und teilweise Tränen in den Augen hatten. In der Nordkurve wurden Bengalos gezündet und tauchten die feiernde Kurve in rotes Licht. Die Leute hüpften und tanzten und es war verdammt laut. „Auf geht´s Schalke schießt ein Tor“ hallte es durchs weite Rund, in einer Lautstärke die ich wohl nie wieder so erlebt habe. Ein Augenblick in dem man am liebsten einfach die Zeit angehalten hätte, damit er nicht endet. Gänsehaut am ganzen Körper und Tränen in den Augen!
Das Spiel wurde kurz darauf abgepfiffen, es sollte also tatsächlich doch in die Verlängerung gehen. Wer hätte das fünf Minuten zuvor noch gedacht? Wir Schalker waren einer weiteren Sensation ganz nah.
Das es dann doch anders kommen sollte, hat vielleicht auch der Schiri mitverschuldet. Selbiger sorgte vor dem Anpfiff der Verlängerung nämlich für ein Novum und schickte die Teams erstmal in die Kabine. Wieso, das weiß er wohl selbst nicht. Diese Pause tat unserem Team alles andere als gut und so kam es, dass wir bereits in der zweiten Minute der Verlängerung das 1:1 kassierten und der Traum vom Halbfinaleinzug somit ganz schnell ausgeträumt war. Schade! Wir hätten es verdient gehabt. Aber es sollte eben nicht sein. Es blieb nur noch Leere… Abgestürzt aus dem Himmel der Glückseeligkeit auf den harten Boden der Realität. Trotzdem war es ein legendärer Abend an den ich immer zurück denken werde.
DAS IST SCHALKE!
Wer sich nochmal die unglaubliche Stimmung reinziehen möchte, findet hier ein entsprechendes Video. Ich habe es bereits unzählige Male gesehen;)
Glückauf
Daniel
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Schöner Artikel! Insbesondere weckt er auch in mir wieder die Erinnerung an dieses famose Spiel unsere Blauen, mit dem noch famoseren Yves „Ronaldo“ Eigenrauch – wie wir ihn nach diesem Spiel tauften… Und dann noch Olaf Thon, den Tränen sehr nach (oder hatte gar geweint?): Unsere Europapokal-Tour ist nicht beendet, sondern nur unterbrochen. Wunderbar!
Ich hab in der Mitte der Haupttribühne gesessen, bin hoch gesprungen,wie alle auch, und hab die Dame, die hinter mir sass im Arm. Hatte aber vergessen das ich mir irgendwann den Gurt der Hose gelöst hatte, weil ich mal wieder zu feist geworden war.Nun stand ich da, die Hose auf den Knien und ne fremde Frau im Arm.Und kein bischen geschämt hab ich mich
schön, kann ich mir bildlich vorstellen. Erinnerungen und Geschehenisse, die dir keiner nehmen kann