Christoph Hümmeler kam mit dem Post SV Hagen nie über die Kreisliga C hinaus, ist aber nicht deswegen schon vor zwanzig Jahren gen Leipzig ausgewandert. Wieso er seit den Siebzigern Schalkefan ist, das weiß er selbst nicht. Is er aber.
Die Spielzeit 2011/2012 neigt sich dem Ende zu, und bevor die Sommerpause einen ratlos macht, was man mit seiner Zeit so anfangen könne, muss schnell noch mal so viel Schalke gesehen werden wie möglich.
Nun ist wieder eine rum – eine Saison. Mitten im Jahr. Aber das ist man ja gewöhnt beim Fußball. Insgesamt war das ein Jahr mit recht dürftiger Stadionpräsenz von mir, jedoch ganz ansprechender Leistung meiner Lieblinge. International war ich grade mal in Bilbao. Ich weiß auch nicht, mir war manchmal einfach nicht danach, zu anderen Spielen hatte ich wahlweise keine Zeit, kein Geld, keine Lust, keine Karte oder eine Mischung aus mehreren dieser Faktoren.
Gegen Ende der Saison stelle ich erschreckt fest, dass die Saison ja quasi ohne meine Beteiligung zu Ende gehen wird. Das will ich dann aber so auch wieder nicht hinnehmen. Also werde ich es zumindest noch hinbekommen, bis zum gegen Ende der Saison noch drei Ligaspiele zu besuchen.
Ostersamstag fängt mein Saisonschlussspurt mit Schalke gegen Hannover an, es ist der 29. Spieltag. Geplant ist ein Motorradurlaub gemeinsam mit meiner Freundin. Es ist Anfang April und das Wetter ist – sagen wir mal – suboptimal. Schwerer wiegt: wir sind zu Zweit, aber nur ein Mopped im Stall läuft. Also Motorrad fahren streichen und durch Auto fahren ersetzen. Bei dem Wetter sagt der alte Mann in mir: besser ist das wahrscheinlich. Mit solchen kleinen Lügen kann ich die Tatsachen besser ertragen.
Kurz – sehr kurz – vor der Abfahrt nach GE packe ich unsere Tickets ein und – staune nicht schlecht. Zwei Tickets gegen Hertha BSC halte ich da in der Hand. Nicht aber zwei Tickets gegen Hannover 96. Aber das Hertha-Spiel ist doch erst in drei Wochen, verdammt. Ich schaue noch mal in die Kartenliste unseres Fanclubs, ich habe Hertha gar nicht bestellt. Dafür Hannover. Ein anderes Clubmitglied hat hingegen Hertha bestellt, nicht aber Hannover. Anruf: „R., hab´ ich dir evtl. versehentlich zwei mal Hannover und zwei mal Berlin anstatt vier mal Berlin geschickt?“. „Raschel raschel, ähm, ja. Stimmt“. Hach, da macht es doppelt Spaß, die Karten des Fanclubs zu verwalten. Ja, mein Fehler, ICH hatte die Karten falsch eingetütet. Aber nach 4 Wochen hätte ER sich deswegen eigentlich mal melden können …
Abholen kann ich die Tickets jetzt nicht mehr, aber zum Glück mache ich immer Kopien und zum noch größeren Glück habe ich diese auch griffbereit. Also hoffe ich, dass ich die zwei Hannoverkarten am Ticketschalter auf Schalke noch ersetzen kann. Ich gebe zu, dazu muss ich ein wenig flunkern („Der R. ist krank und da ich in der Nähe war … usw.“), aber das scheint mir der überschaubarere Weg zu Tickets. Das Ende vom Lied: ich bekomme zwei neue Tickets für Schalke gegen Hannover 96 ausgestellt (Bitte, lieber FC Gelsenkirchen-Schalke 1904 e.V., lieber SFCV, nicht böse sein, ich wollte euch nicht betrügen, sondern nur das Spiel sehen, für das ich Tickets hatte – 500km weit entfernt vom Stadion!) und kann mit meiner Freundin das herrliche 2:0 von Raul bewundern – aus vollem Lauf den Ball mit der linken Sohle an Zieler vorbei gestreichelt und direkt mit rechts eingeschoben. Allein das war jede Anreise wert.
Mein zweites Spiel gegen Ende der Saison: der 33. Spieltag zu Haus gegen Hertha. Nun habe ich ja grade behauptet, dass ich gar keine Karten für das Hertha-Spiel hatte. Stimmt auch. Aber mein Kumpel hat zwei! Duplizität der Ereignisse: wir befinden uns grade wieder auf dem Weg zu einem verlängerten Motorrad-Wochenende (1. Mai) und wieder ist Schalke Bestandteil der Reise. Ich kann nicht sagen, dass mich das stört. Zuvor konnte ich noch zwei Plätzchen für uns auf dem heiligen Rasen während der Abschiedsveranstaltung für Raul, Hänschen Sarpei, Levan Kenia und Matthes Schober besorgen. Die Teilnahme an der Veranstaltung verhindert zwar, dass wir das 3:0 (Raul) und 4:0 (Huntelaar) sehen, da wir in den Katakomben der Arena stecken, aber manchmal muss man solche Opfer eben bringen für den geilsten Club der Welt!
Die Spieler-Verabschiedung war sehr emotional (finde ich) und es war toll, so nah dran zu sein! Und dann wurde auch noch die Verlängerung von Farfans Vertrag bekannt gegeben. Ein nahezu perfekter Tag.
Das Dritte Spiel kann dementsprechend nur der 34. Spieltag sein, richtig. Bremen : Schalke. Ich habe alles mögliche, aber kein Ticket. Und überlege mir überhaupt erst am Mittwoch oder Donnerstag vorm Spiel, dass ich brutal Lust habe, das Spiel zu sehen und Zeit habe ich obendrein. Also poste ich kurz im Forum eine Nachfrage nach einem Ticket. Für das letzte Saisonspiel. Ja sicher. Ganz bestimmt ….
Freitag bekomme ich einen Anruf: „Wir haben ein Ticket, bis 12:00 Uhr müsstest du Bescheid sagen“. Nach Rückfrage beim Haushaltsvorstand sage ich freudestrahlend zu. (Danke S. und G.!). OK, wie komm´ ich jetzt so kurzfristig nach Bremen? Und das unter den erschwerten Bedingungen, dass mein Portemonnaie, somit ja quasi mein Leben als zivilisierter Mitteleuropäer, letztens leider abhanden gekommen war samt Bahncard, Perso usw. Zuerst mal zum HBF, neue Bahncard bestellen. Das klappt überraschend einfach, ohne Vorlage eines Dokuments, ich wundere mich. Die Bahnverbindung nach Bremen ist eher mau. Vielleicht Mitfahrzentrale? Ach ja, da fährt jemand. Schwupp, gebucht, leider nur die Hinfahrt. Bleibt die Rückfahrt. 18:47 wird die letzte Möglichkeit sein, per Zug ab Bremen so was ähnliches wie würdevoll nach Hause zu kommen. Aber wirklich auch nur so was ähnliches wie würdevoll. Eigentlich werde ich schon kurz nach 18 Uhr losfahren müssen ab Bremen HBF. Wie soll das gehen? Abpfiff 17:15 Uhr, und zwar im Stadion, nicht im HBF Bremen! Mir schwant schon mal nichts Gutes. Intelligenteren Menschen würde gar Schlimmes schwanen.
Aber halt, da gibt’s doch nebenan noch ´nen Fanclub, vielleicht fährt ja von denen jemand. Und in der Tat, später abends bekomme ich ne SMS, da fährt jemand nach Bremen und zurück. Prima, ich nehme die Rückfahrt. Weitere Verabredungen nach dem Spiel.
Das Spiel findet ohne Raul statt. Das mag verständlich sein, macht mich aber ein wenig traurig. So gerne will ich ihn noch mal zaubern sehen. Raul in meinem Popelverein. Das kann ich ja nach zwei Jahren immer noch nicht richtig glauben! Aber auch ohne Raul wird es ein 2:3, Huntelaar netzt zweimal ein räumt die Torjägerkanone ab, das 0:1 besorgt Jule. Am Ende des Spiels findet eine tolle Saison ihren Abschluss und alle sind in blendender Stimmung (die nur kurz vom Getränke-Verbot im Gästebereich Oberrang getrübt wurde).
Nach dem Spiel erst mal ein kühles Bier auf der Wiese am Deich, langsam eine SMS an meinen Fahrer schreiben, die Sonnenstrahlen an diesem nicht allzu warmen Tag genießen und warten. Noch ein bisschen warten. Und noch ein bisschen. Erste Zweifel schleichen sich in mein Hirn (man kann das wahrscheinlich als Außenstehende hören …). Vielleicht sollte ich meinen Fahrer (den ich nicht kenne) mal anrufen? Ich bekomme nicht mal ein Freizeichen, sondern die Mitteilung, der Teilnehmer sei nicht zu erreichen. Die Zweifel verstärken sich. Der wird doch nicht …
Ich habe ihn nicht mehr erreicht. Nachträglich stellte sich die von mir favorisierte Lösung als die richtige heraus: Akku alle. Kenne ich da kann ich mich kaum beschweren, das passiert mir auch häufig.
Wie ist das noch mit dem Zug? Der um kurz nach 18:00 Uhr ist weg. Der um 18:47, den kann ich eventuell noch ganz knapp erreichen. Ich sprinte in die Straßenbahn und die fährt los und – steckt im Stau. Es ist recht schnell klar: den Zug um 18:47 kann ich knicken.
Ich weiß gar nicht mehr, wann ich letztendlich in Bremen losgefahren bin, ich schätze mal, so um halb acht. Aber ich bin nicht in einem Zug nach Hause gekommen, ein Zwischenstopp im Hotel in Hannover war notwendig mangels Verbindungen.
Wie sich der aufmerksame Leser erinnern wird, bin ich ja ohne Perso unterwegs. Jetzt komm´ mal in Deutschland ohne Perso in ein Hotel. Die wollen offensichtlich immer einen Perso sehen beim einchecken. Das ist mir vorher noch nie aufgefallen. In Hannover regnet es Bindfäden, die Temperaturen sind in Anbetracht meiner Tracht (dünne Regenjacke bedeckt Schalke-Trikot) zu niedrig (keinesfalls aber ist meine Tracht unangemessen ob des vorhergesagten Wetters!). Aber dennoch: die lassen mich nicht rein in das Hotel! Ich sehe mich schon weiß der Himmel wie die Nacht verbringen. Die Szenerie erinnert mich an das „Totenschiff“ (zum Glück den Anfang des Buches, nicht an sein Ende!). Zum Glück finde ich aber doch noch ein Hotel, das mich übernachten lässt. Danke!
Wenn ich mir das wieder alles überlege, komme ich zum Schluss: Schalke-Fahrten sind viel zu aufwändig und Nerven aufreibend! Wie kann ich so was nur schön finden? Dessen ungeachtet habe ich grade meine Kartenbestellung für die nächste Saison fertig gemacht – diesmal nicht so sparsam wie letzte Saison …
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Christioph, du hast Recht: Schalke direkt auf’m Platz zu sehen, ist schon manchmal sehr hart und Nerven aufreiben. Mir würde aber etwas fehlen, wenn dem nicht so wäre. Sach ma, ich kann mich nicht erinnern, dass ich in Deutschland in einem Hotel meinen Personalausweis vorzeigen musste. Sach ma, die Zweite: Der Zug gen Leipzig fuhr 18.09 Uhr von Gleis 3 in Bremen – nach dem Abpfiff hatten wir noch genug Zeit um der Mannschaft zu applaudieren, um zu Fuss zur Strapazenbahn zu gehen, um mit letzterer zum Hauptbahnhof zu fahren, um dort noch ein Fischgericht auf der Faust zu verspeisen und um noch einige Zeit auf dem Bahnsteig im Zug auf selbigen zu warten… Noch vor Abfahrt kredenzte Peggy aus Leipzig in der Kombüse die ersten Kaltgetränke… Stressig war das Ganze aber nicht!
Na, wie gesagt, ich wusste das ja auch nicht mit dem Perso in deutschen Hotels. War aber zumindest in Hannover so. Wenn auch – zum Glück – nicht in jedem Hotel.
Und den Zug 18.09 habe ich nicht erreicht, weil ich ihn ja nicht ereichen wollte. Wollte ja mit jemandem vom Leipziger Fanclub Heim fahren. Und als klar wurde: „mit dem fahre ich nicht mehr Heim“, war der 18.09-Zug weg.
Schlechte Planung ist halt durch nix zu ersetzen!