Andreas ist Moderator in einem gut besuchten Schalke-Forum und hat mit seinem S04 schon viele Höhen und Tiefen erlebt. Das schweißt zusammen, erst recht, da er seit Jahren beruflich im Ausland lebt und deshalb jedes Heimspiel, bei dem er live dabei sein kann, als Feiertag empfindet.
Von einem solchen Feiertag erzählt er hier, einem Revierderby, bei dem er einen abenteuerlichen Selbstversuch wagt…
Dies ist die Geschichte eines Derbybesuches der geprägt war von Pleiten Pech und Pannen, aber trotzdem – bis auf das Ergebnis – ganz lustig verlief.
Teil 1. Vorgeschichte
Wir befinden uns im September des Jahres 2010. Der Vorzeige-Borusse Christoph Metzelder spielt zum nicht geringen Ärger einiger Schalker seit Saisonbeginn in Königsblau, stand bei allen drei bisherigen Bundesligaspielen auf dem Platz und wurde für seine außergewöhnlichen Leistungen dabei vom einschlägigen Fachblatt mit der unterirdischen Durchschnittsnote 5.0 bedacht. Der ruhmreiche FC Schalke 04 ist mit sagenhaften 0 Punkten Tabellenletzter. Am vierten Spieltag steht das Revierderby an – und Christoph Metzelder ist „verletzt“.
Tja, und jetzt kommt meine Geschichte. Alles hat eigentlich damit angefangen, dass ich meinen vorlauten Mund nicht halten konnte. Irgendwie kam das Thema auf Derby und Metze und ich hatte in einem Internet-Forum gepostet, dass ich mit einem Metzelder-Trikot zum Derby kommen würde. Das Verhängnis kam dann in Gestalt einer PN des Users „Nobody“, der mir einen Steher versprach, falls ich wirklich mit dem Metze-Trikot auftauchen würde (Nochmals besten Dank!). Später trudelten dann noch entsprechende Bier-Angebote von weiteren Forumsbekannten ein. Da hatte ich nun also den Salat, hätte ich doch mein vorlautes Maul gehalten. Irgendwann hatte mir mal mein Alter Herr den Satz „Spielschulden sind Ehrenschulden“ eingeimpft, oder wie sagte mein alter Lateinlehrer immer: „hic Rhodos hic salta“. Also blieb mir keine Wahl…
Beim S04 Fan Shop wurde auf meine telefonische Frage nach einem Trikot mit „Metzelder-Beflockung“ sehr zurückhaltend reagiert. Kam wohl doch nicht so oft vor, dass jemand sowas haben wollte. Um Komplikationen zu vermeiden, beauftragte ich meinen Junior mit der Beschaffung und Logistik und diese Aufgabe erledigte er dann auch mit Bravour. Wozu Studenten so alles gut sind!
Es schien allerdings, dass sich die „Fußball-Götter“ gegen mich verschworen hatten. In der Derby-Woche hatte ich Termine in Japan und es gab keinen freien Platz in einem Flieger zurück nach Frankfurt, aufgrund zweier Feiertage in Japan war alles ausgebucht. Was für ein Shit! Freitagvormittag dann die Rettung, über Singapur würde es klappen. Das waren zwar 18 Stunden im Flieger, aber was tut man nicht alles für Schalke!
Teil 2. Flug und die Ankunft
Samstags dann also mit ANA nach Singapur, netter Service und sehr nette Stewardessen sorgten für einen angenehmen Flug. In Singapur das nächste Problem: Wir saßen bereits im Flieger und wurden dann doch wieder heraus gebeten. Technische Probleme am Flieger, der Ersatzflieger könne erst in 4 Stunden starten. Also zurück in die Lounge und den Frust mit etwas Alkohol runtergespült. Nach ewigem Warten ging es dann doch los, rein in den Flieger und schon der nächste Schock: Auf meinem Sitzplatz saß ein Chinese mit Zecken-Trikot! Das Leben kann so gemein sein! Die Zecke hatte alkoholbedingt Schwierigkeiten ihre Bordkarte zu lesen und wurde auch deshalb ganz schnell von meinem Platz vertrieben. Neben mir fand sich eine sehr nette Lady ein, die, oh Wunder, Ahnung von Fußball hatte. Wie sich im Laufe des Fluges herausstellte, hatte sie vom Fußball sogar um einiges mehr Ahnung als ich! Ihr Arbeitgeber war Deloitte und sie war drei Jahre lang Teil des „Football Money League“-Teams, wo ihr Spezialgebiet die italienische Seria A war. So wurde es ein angenehmer Flug in sehr, sehr netter Gesellschaft – was will Man(n) mehr?
Am Zoll in Frankfurt wurde die Zecke dann durchgewunken und ich musste meinen Koffer öffnen… Als erstes Kleidungsstück leuchtete das Polo-Shirt des Schalker „Block5-Forums“ in seiner ganzen Pracht dem Zöllner entgegen, der sofort spöttisch meinte: „Noch so ein Magath-Höriger!“. Anstatt die Klappe zu halten, antwortete ich nur „Lieber ein Magath-Höriger als eine Zecke“. Hätte ich nur mein vorlautes Maul gehalten (sagte ich das nicht schonmal?!). Der nette Beamte vom Zoll jedenfalls fühlte sich wohl persönlich angegriffen und startete nun die „Ich will was finden und ich krieg dich dran“-Nummer. „Kasus Knacktus“ war dann mein neues Firmenlaptop, das – da aus Thailand – angeblich von mir verzollt werden müsste. Die Antwort auf die Frage, was ich denn so oft in Thailand mache, erfreute meinen neuen „Freund“ auch nicht richtig („Sexorgien und Saufen“). So richtig stinkig wurde der Anhänger von Lüdenscheid-Nord dann, als ich ihm den Zugriff auf Dateien verweigerte, welche er angeblich öffnen dürfte, um zu sehen ob das Laptop wirklich der Firma gehöre. Ein Wort ergab das andere und nach längerer Diskussion und Rücksprache mit unserem Anwalt blieb das Laptop beim Zoll (wo man ihn mir ein paar Tage später pünktlich zum Rückflug wieder zähneknirschend aushändigte). Am Ausgang stand mein Junior und hielt mit einem dicken fetten Grinsen das Metzelder-Trikot hoch. Erster Kommentar: „Na, gab es Stress?!“ Jetzt aber schnell umgezogen, den Junior auf dem Fußballplatz abgegeben und ab Richtung Arena.
Teil 3. Arena Vorspiel
Die Fahrt verlief ohne weitere Hindernisse, rauf auf den Parkplatz A. Ich hatte die Karre noch nicht richtig verlassen, da kam vom Nachbarfahrzeug schon der Ruf eines Schalkers: „Ey spinnste, mit sowas läuft man doch nicht durch die Gegend!!“ Und die etwas fülligere Zecke gegenüber rief „Ich krieg Augenkrebs!“. Also eins musste man ihnen lassen, Schalker und BVB-Fans hatten ein gemeinsames Feindbild.
Irgendwie war mir nun doch etwas mulmig zumute und ich zog das Trikot erst mal aus, „Safety First“… Langsam schlenderte ich in Richtung Tausend Freunde Mauer und überholte zwei Schalker, von denen einer einen mir aus dem Forum bekannten Usernamen auf dem Trikot stehen hatte, und tatsächlich, er war es – und er wiederum sprach mich wegen des in mein „Block5“-Polo eingestickten Usernamens sofort auf das Metzelder-Trikot an, wo es wäre, jemand wolle mir doch schließlich ein Bier ausgeben! So langsam wurde mir immer mulmiger, hätte ich den Scheiß doch gelassen! An der Tausend-Freunde-Mauer war schon eine größere Gruppe Block5-User anwesend und ich wurde bedrängt, mir endlich das Trikot überzustreifen und mir die versprochenen Gerstensäfte abzuholen. „Da drüben am Tisch vorm Bierwagen, der mit der Kappe ist einer von denen, die dir das versprachen“ hieß es, und also gab ich nach, warf das Trikot über und ging frohen Mutes auf den Tisch zu und fragte den Typen mit der Kappe „Bekomme ich hier mein versprochenes Bier?“ und drehte mich demonstrativ um, damit er die „Metzelder“-Beflockung sah. „Nee, hier nicht, vor allen nicht für so‘n Scheiß!“ knurrte der Gefragte. Tja, das war ein Satz mit X. Vier Meter weiter stand eine kleine Gruppe mit einem anderen Typ mit Kappe, also musste es der sein. Hin und kurz vorgestellt, diesmal richtig. Ein paar Minuten später hatte ich ein Veltins in der Hand. Und das mir, der ich eigentlich kein Bier trinke, normalerweise ein bis zwei Stück im Jahr. Bei diesem Derby sollte ich mein Pensum für die nächsten vier Jahre erfüllen… Irgendwo zwischen dem dritten und vierten Becher trudelte dann „Nobody“ ein, tatsächlich mit einer Eintrittskarte für mich – das Derby war gerettet!
Über das Spiel, bei dem vier Tore fielen, aber nur eines davon für uns, decke ich mal den Mantel des Schweigens, da muss man nicht näher drauf eingehen. Nur so viel: Im Block hörte ich keinen einzigen dummen Spruch wegen meines Trikots.
Teil 4. Abschluss im Kuzorra und der Weg zum Parkplatz
Aus, vorbei, verloren. Mit einigen Forumsfreunden ging es noch ins Kuzorra, der Kneipe an der Nordkurve, man musste sich ja schließlich die Pressekonferenz noch antun. Dort hatte ich ehrlich gesagt wieder ein ziemlich mulmiges Gefühl mit meinem Trikot. Es wurde auch tatsächlich mal kurz laut, aber meine „Bodyguards“ standen mir bei, ein dickes Danke dafür! So wurde es ein ganz schöner Abend, auf Beweisfotos kann man heute noch erkennen, dass „Mirotzek Klose“ an unserem Tisch saß, der Typ, der glaubt, Bayern läge im Ausland und von dem wir deshalb annahmen oder befürchteten, er würde womöglich zu uns wechseln wollen. Na, leider ging der Abend dann doch recht schnell zuende, ich musste ja noch in Richtung Heimat.
Ich hätte mir besser ein Zimmer nehmen und den Abend mit den Forumskollegen ausklingen lassen sollen. Hinterher ist man immer schlauer. Aber nein, ab gings in Richtung Parkplatz, der Weg lag recht verlassen und am Bierwagen hing nur noch eine kleine Gruppe des „Schalker Kindergartens“ ab. Wenn man dem Verein böse wollte, sollte man mal fragen wieso frühpubertierende Teenies Bier bekommen und ich sollte es dann auch recht schnell erfahren, dass das keine gute Idee war. Ohne böse Vorahnung schlenderte ich an der Gruppe vorbei, an das blöde „Metzelder“-Trikot hatte ich da schon gar nicht mehr gedacht, als hinter mir auf einmal das Geschrei los ging. „Ey watt issn datt für ne Sau?! So ein Arschloch!“ Der Satz war noch nicht richtig zuende gegrölt, da hatte ich auch schon die ersten zwei Becher Veltins abbekommen. Die nächste Dusche folgte kurz darauf und ich legte einen kleinen Zwischenspurt ein (wozu Deichwandern alles gut ist..) – vier von den Kindern folgten mir noch bis auf den fast leeren Parklatz, aber als ich am Auto die Heckklappe aufmachte sind die dann mit „Arschloch, Wichser, Hurensohn“-Geschrei verschwunden. War auch gut so, denn mein erster Griff galt der Werkzeugtasche. Wären die Jungs zum Auto gekommen, hätte ich wohl ohne Bedenken das Radkreuz genommen. So aber blieben sie und ich heil, schnell zog ich Ersatzklamotten an (irgendwann ist schließlich auch mal gut) und dann „nichts wie ab nach Hause“.
Teil5. Fazit
Tja was soll man sagen. Habe da irgendwie sehr gemischte Gefühle. Doch das wichtigste zuerst, es hatte mich unheimlich gefreut, eine ganze Menge Internetbekanntschaften im wahren Leben kennenzulernen. Immer wieder gerne. Ein dickes Danke an „Nobody“, der die Karte besorgte – mein erster Steher seit gefühlt 15 Jahren, es war geil! Schade, dass ich so früh gehen musste, nachdem, was ich später so hörte, habe ich wohl noch einen richtig geilen Abend verpasst, aber beim nächsten Mal bin ich dabei!
Zum Thema ob ich mit der Bierdusche rechnen musste nur so viel: In den Zeiten als ich noch oft in der Kurve stand, wäre niemals ein Einzelner, der ein Schalker Trikot trägt, von uns so angemacht worden. Ich war vom Transfer des betreffenden Spielers nicht begeistert, die Intention dahinter habe ich aber verstanden. Ich hätte niemals gepfiffen, aber ich hätte auch seinen Namen nicht gerufen. Die Betonung liegt für mich auf hätte, denn seit diesem Derby denke ich da etwas anders. Beim nächsten Spiel werde ich seinen Namen mit voller Überzeugung brüllen. Auch wenn ich die Motivation derer, die das anders sehen, verstehen kann: Dieser Metzelder ist ein Spieler, der unser Trikot trägt, und den werde ich unterstützen, schleiß egal was der Rest um mich herum denkt.
Für Schalke!
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Deine Metzelder Trikot Geschichte liest sich immer wieder kurzweilig, Andreas!
Schöne Story!
Da hast Du aber ein strammes Pensum mit Höhen und Tiefen gehabt.
Und immer daran denken: Ohne Metzelder hätte es wohl den Senor auf Schalke nicht gegeben!
Glückauf,
Enatz
Dickes Lob an Matthias der aus der „Insider-Story“ eine fuer alle verstaendliche Geschichte gemacht hat.
Das Schoenste an der Geschichte ist, dass ich mit der netten Frau die von Fussball mehr Ahnung hat als ich (kein Kunststueck) immer noch in einem regen Kontakt stehe.
Andreas
…sehr schöne GEschichte! Am Zoll wäre ich allerdings an deiner Stelle durchgedreht 😉
Stefan
Der Metzelder hat so einen tollen Fan wie Dich verdient. Und das meine ich ernst, auch positiv.