Engelbert Wölbert war neun Jahre alt, als er im Sommer 1958 seinen Vater mit den Männern aus der Nachbarschaft über das bevorstehende Meisterschaftsfinale reden hörte: „Schalke gewinnt 3:0 und Klodt schießt zwei Tore“. So kannte er seinen Papa noch gar nicht. Aber: Am Montag stand es genau so in der Zeitung und Engelbert war Schalker.
Gut 50 Jahre später macht er sich auf auf eine brenzlige königsblaue Radtour.
Die Saison 2008/09 – die unserem späteren Cheftrainer zu Ruhm und Ehre verhalf – neigte sich dem Ende entgegen. Mein wandelndes Fussball-Lexikon kam aus Mainz angereist und ab Koblenz radelten wir voller Erwartung mal wieder in Richtung Fussball-Westen. Einziger Wermutstropfen der ersten Etappe: Ich verlor einen Schuh aus meiner Gepäcktasche.
Es standen zwei Spiele auf dem Programm: Sonntag, 10.05. Gladbach-Schalke und am Mittwoch, 13.05.2009 Schalke-VfB. Das Spiel Köln-Hertha am 12.05.2009 schenkten wir uns. Ein drittes Spiel hätte zwar unserer Tour das Attribut „total“ verliehen, aber mit dem FC Kölle haben wir es beide nicht so.
Das Spiel in Gladbach ging verloren. Eine Last-Minute-Attacke von Neuville brachte die Entscheidung. Benni trat über den Ball und er bekam einen hochroten Kopf. Die Gladdies schafften den Klassenerhalt.
Am Montag und Dienstag – wir hatten bestes Radler Wetter – kamen wir gut voran. In Wesel am Niederrhein war die nächste Übernachtung. Weiter gings über Haltern am See (Benni und Metze bekamen wir nicht zu sehen) nach Herten. Der Tag des VfB-Spiels hatte es in sich. Gibt es denn in NRW keine Grillplätze? Zu einer Radtour gehören schließlich auch Grillwürstchen.
Die Wanderkarte gab ebenfalls keine Hinweise, lediglich einen großen Park konnten wir ausfindig machen. Dort fand sich ein kleiner, künstlich angelegter Hügel mit einer befestigten Plattform obendrauf. Feuerchen gab’s hier schon oft, darauf deuteten die Spuren unmissverständlich hin. Also: ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, unser Plan könnte gegen irgendwelche Regeln verstoßen, sammelten wir trockenes Brennmaterial, schnitzten unsere Spieße und als das die Flammen loderten, drehten wir unsere Leckereien über dem Feuer.
Was ist das denn? Zu meiner Rechten stand plötzlich ein Feuerwehrmann, ausgestattet als wolle er allein das WTC löschen und fragte, was wir denn dort täten. Die Antwort blieb mir im Halse stecken, denn im nächsten Moment standen zwei Polizisten zu meiner Linken. Der Feuerwehrmann verzichtete auf die Antwort, griff zu seinem Funkgerät und sprach „LÖSCHZUG ABRÜCKEN; ES IST NUR EIN KLEINES NUTZFEUER“. Das brachte nun auch mir den Ernst der Lage näher. Jetzt konnte ich auch das Sirenengeheul der vergangenen Minuten einordnen. Mein Begleiter hielt sich völlig zurück, das war auch gut so, denn bekanntlich sind Juristen als Vertreter in eigener Sache völlig ungeeignet.
Die Polizisten verschwanden nach einigen Minuten grußlos von dem Ort der Tat. Ob sie wohl umgehend zu einer Pommes-Bude fuhren, animiert von den herrlich duftenden und braun brutzelnden Würstchen? Uns sollte es egal sein. Der Feuerwehrmann hatte inzwischen das „Großfeuer“ gelöscht und schaute mich unmissverständlich an. „Das wird teuer“ las ich in seinem Gesicht.
„Ich gebe ihnen meine Personalien, damit wir weiterfahren können, denn wir haben noch eine Mission zu erfüllen. Wir sind von weit her angereist, um die Blauen gegen die Stuttgarter zu unterstützen. Mit hungrigem Bauch geht das ja wohl nicht.“ Zum Beweis dieser Ansprache warf ich ziemlich heftig meinen S04-Mitgliedsausweis auf die Ablage. Das führte zu einer sichtlichen Entspannung des Klimas. Ich gab ihm meine Personalien und die Geschichte löste sich in Wohlgefallen auf. Wir haben nie wieder etwas von den Beteiligten gehört. Mein Ausweis hatte wohl die richtige Farbe.
Das Spiel gegen den VfB ging ebenfalls verloren. Cacao explodierte mal wieder, wieso eigentlich immer gegen uns?
Am Donnerstag gings nach Hause und am Freitag ließ mir der Schuh keine Ruhe. Die Chance, diesen zu finden, lag bei 1:1000, aber das ist je mindestens so gut wie die Chance für S04, die Schale zu holen. Also musste ich es versuchen. Mit dem Rad fuhr ich die Strecke am Rhein zwischen Koblenz und Andernach, Gestrüpp rechts, Gestrüpp links, der arme Schuh, muss irgendwo dem Regen, der Sonne und dem Wind trotzen. … Da liegt er ja! Völlig unversehrt! Unglaublich, kurz vor dem Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich lag er direkt am Radweg.
Völlig euphorisiert fuhr ich zu meinem Auto zurück, lud das Rad hinein und fuhr ins nächste Dorf meine Cousine besuchen. Dann – wieso kam ich denn nicht schon vor Jahren auf die Idee – fuhr ich zum Hafen und ging zu einer Firma, die Metall-Schrott auf Schiffe verlud. Verbotenerweise schlenderte ich zwischen den Schrottbergen umher. Ein Lagermeister mit gelbem Schutzhelm auf dem Kopf kam mir entgegen. Bevor ich mein Anliegen vorbringen konnte, hörte ich ihn laut und deutlich sagen: „Gehen sie am besten direkt zum Chef!“ Geschaut habe ich wohl nicht besonders erfreut, daher schob er nach „Der ist auch Schalker“. Aha, er hatte das Emblem auf meiner Jacke gesehen.
Zum Chef bin ich dann leichten Herzens gegangen. Der Mann passte zu seiner Branche. Die Wände des Büros waren voller übergroßer Schalke-Fotos. „Junge, was willst du?“ „Eine Feuerschale für meinen Garten-Grill. Ich grille nur mit Buchenholz“. „Geh zu Halle C, ich melde dich dort an“.
Eine perfekte Feuerschale aus V2A-Stahl bekam ich umsonst. Schalker Herz, was willst du mehr?
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Es gibt sie also doch, die Gutmenschen.
Man muss nur die richtige Idee haben, dann schafft man es auch, die Schale zu bekommen.