Markus Kammann wurde in Bochum in eine Schalke-Familie hineingeboren. Als Staatsanwalt verschlug es ihn nach München, von wo er aus familiären Gründen nach Aschaffenburg wechselte, wo er als Richter tätig ist. Er ist überzeugter Auswärtsfahrer und Mitglied von MerGE Main-Eck 04.
Markus teilt mit uns Gedanken an zwei Erlebnisse, die sein Leben veränderten.
Wir kuschelten uns aneinander, es war ziemlich feucht zwischen uns und unser Stöhnen war so regelmäßig wie eindringlich.
So oder so ähnlich muss es gewesen sein, als mich mein Vater Anfang der 80er erstmals mit in die Südkurve („Da sind wir ganz schnell am Parkplatz“) des Parkstadions nahm, wo wir im Nieselregen, in der Kälte der zweiten Liga standen, immer wieder fassungslos, wenn unsere Mannschaft wieder einmal eine Großchance gegen Gegner ungenutzt ließ, von denen man noch nicht einmal genau wusste, wo die Stadt lag, die ihrem Verein den Namen gab.
Ja, so muss es gewesen sein – nur habe ich an dieses erste Mal keinerlei Erinnerung mehr.
Ich kann mich nur noch an das Spiel gegen Rot-Weiß Essen erinnern, ich tippe, es war der 3.4.1982. Im Tor ein gewisser Walter Junghans, der mich immer wieder in die Nähe des Herzinfarktes brachte.
Aber auch dieses Spiel wäre vergessen, wenn nicht vor uns ein Typ mit Kutte gestanden hätte, der das ganze Spiel hindurch ein Lied geschmettert hätte, das keine Melodie, sondern nur einen Text kannte: „Junghans kann nicht fi*****, ahaaaaaahhhh!“. Immer und immer wieder schmetterte er dieses Lied, während mein Vater, peinlich berührt wie er war, nur zu mir meinte: „Das darfst Du aber der Mama nicht erzählen – sonst darfst Du nicht mehr mit…“. Und da ich immer noch größten Respekt vor meiner Mutter und ihrer Erziehung habe, habe ich es bis heute nicht getan. Wie hätte mein Leben aussehen können, welche Ziele hätte ich erreichen können, wenn ich es doch getan und sie mir verboten hätte, das Stadion noch einmal aufzusuchen???
Wie das Spiel damals ausgegangen ist, weiß ich übrigens nicht mehr – vielleicht 1:1?
Wie allerdings mein zweites erstes Mal endete, weiß ich noch genau. Es war einmal mehr der 21.5., als ich zum ersten Mal alleine das Stadion betrat und mich in Block 5 der ehrwürdigen Nordkurve zu den letzten Mohikanern stellte. Man schrieb das Jahr 1988 und Schalke hatte gegen Werder Bremen mit 1:4 das Nachsehen. Machte ja nichts – abgestiegen waren wir sowieso. Otto Rehagel war dagegen bereits Meister, verweigerte jedoch Dieter Burdenski sein Abschiedsspiel auf Schalke.
All das würde aber nicht ausreichen, um eine Erinnerung an dieses Spiel hervorzurufen.
Es war diese Leihgabe des selbsternannten nordösterreichischen Marktführers, die das Spiel unauslöschbar in mein gehirn einbrannte. Sein Name? Uwe Tschiskale… Warum ich das so genau weiß? Er spielte zwar unglücklich, vergab vielleicht auch die ein oder andere Torchance und machte letztlich doch den Ehrentreffer. So wie viele Schalker Stürmer eben, die ich bis zur Verpflichtung von Ebbe Sand in meinem geliebten Parkstadion besichtigen konnte. Was mich aber an diesem Nachmittag beeindruckte, waren einmal mehr die Fans des geilsten Clubs der Welt. Denn sie ließen es sich nicht nehmen, wiederkäuend den Schlachtruf „Tschiskale raus!“ anzustimmen.
Noch heute wache ich – wenn auch weniger regelmäßig als damals – in mancher Nacht auf, Schweißperlen auf der Stirn und es hämmert in meinem Schädel: „Tschiskale raus!“. Und manchmal erwische ich mich auch dabei, dass ich im Stadion statt des Namens des Spielers oder Trainers, den die Kurve schnellstens an den Hindukusch wünscht, im Geiste den Namen „Tschiskale“ rufe.
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres und/oder Interessantes über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Klar erkennbar muss sein, ob es sich um eine wahre Geschichte handelt oder um einen Prosatext, also einen konstruierten, erfundenen, der etwas Bestimmtes ausdrücken will in Bezug auf den FC Schalke 04.
Wichtig ist natürlich auch, dass ihr kein Problem damit habt, dass euer Text hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.
Schon interessant welche unterschiedlichen Assoziationen Namen auslösen können.
Ich denke bei ihm immer an „Tschiskale – uuh Baby Tschiskale“ (Melodie von Bananarama – Venus)
Bananarama? „Venus“ ist doch von „Shocking Blue“ – da waren die von Bananadingens noch gar nicht geboren 🙂
Das Spiel am 03.04.82 ging 1:1 aus, es trafen die Herren Richter für RWE und Opitz für uns vor 23.000 Zuschauern. Das Hinspiel haben wir aber gewonnen…
Der Name Uwe Tschiskale löst bei mir auch noch Schüttelfrost aus. Es waren diese Momente, wo wir unbedingt treffen mussten und es mal wieder nicht getan haben. in dieser Zeit haben wir in schöner Regelmäßigkeit die sogenannten Schicksalsspiele vergeigt.
Uschi Kahle
oder auch
U. Schiss-Kale
😉
Schmerzhafte Zeiten waren das…
Glückauf, Enatz