Helge Berg sah 1972 in der Glückaufkampfbahn Schalke das erste mal „live“, ist seit Jahrzehnten Vereinsmitglied und war auch von Anfang an beim Supportersclub mit dabei.
Heute erzählt Helge Berg von einer „ganz normalen“ Auswärtsfahrt zu Borussia Mönchengladbach im Jahr 1993…
Es war ein grauer Märztag 1993, das Buli-Spiel in Gladbach auf dem Bökelberg stand an und wir wollten mit dem Zug fahren. Wir, das waren mein Bruder Lars, der Hase und der Bantu und ich.
Am Bahnhof GE angekommen, das erste Bier geköpft, sahen wir auch schon irgendwelche Gestalten, die Geld von den reisewilligen Schalkern einsammelten, um eine Gruppenkarte zu lösen. Wir kannten die Leute zwar nicht, aber da alle bezahlt haben, taten wir das auch und zogen uns in irgendeine Ecke zurück. Zu dieser Zeit sammelte bei jedem Auswärtsspiel irgendjemand Geld ein und verteilte später die Abschnitte. Also was sollte schon passieren?
Irgendwann sahen wir einen großen Pulk von Schalkern, der nach und nach wieder kleiner wurde. Aha, die Abschnitte wurden verteilt! Allerdings wahllos. Als wir dran waren, waren keine Abschnitte mehr da. Der Verteiler, jemand mit dem man sich ungern angelegt hätte, zuckte nur mit den Schultern. Was nun?
Wir wollten weder schwarz fahren noch hatten wir Bock für Einzeltickets noch einmal zu löhnen, aber nach Gladbach, da wollten wir unbedingt hin. Wir berieten uns kurz und beschlossen, wieder nach Hause zu fahren, um ein Auto zu holen und mit diesem nach Mönchengladbach zu fahren. Jeder nen Fünfer Spritgeld, Bier in die Karre und los ging es. Da das Auto meines Bruders Lars zu diesem Zeitpunkt etwas vertrauenserweckender war als meines, verständigten wir uns auf seinen Escort. Mit mir stand der Fahrer sowieso fest, weil die anderen Jungs auch in der Nacht davor schon gut am Glas dabei waren. Ich dagegen hatte die Nacht mit meiner Perle verbracht und war daher vergleichsweise ausgeschlafen, und vor allen dingen nüchtern.
Wir zockelten in Gelsenkirchen locker auf die A40 Richtung Essen, erzählten uns herrliche Geschichten und fuhren zielsicher erst einmal ohne auf ein einziges Schild zu achten munter drauf los. Aufpassen tat niemand, der Wagen findet MG schon alleine. Also erst einmal an der A52 vorbei Richtung Duisburg, dann Richtung Venlo.
Irgendwann sagte jemand von uns vieren: „Äi, Leute, hier stimmt doch wat nich, wir sind doch völlig falsch. Gladbach is zwar inne nähe von Holland, abba nich von Venlo?!“
Mein Bruder übernahm das Steuer mit den Worten: „Meine Fresse, dein Orientierungssinn is wirklich unglaublich (können im Übrigen heute immer noch viele Leute bestätigen), gez fahr ich, wir wollen ja noch ankommen!“
Wir fuhren also querfeldein Richtung Mönchengladbach, grob jedenfalls. Plötzlich gab es einen lauten Knall… die erste Tuborgdose, die ich an diesem Tage öffnete, fiel mir aus der Hand und knallte unten im Auto hinterm Fahrer irgendwo auf einen Griff, mit dem man den Sitz verstellen konnte. Ein halber Liter Bier schoss durch den Wagen, alles nass und völlig verklebt.
Zehn Minuten und einen Tobsuchtsanfall später fuhren wir weiter, ohne besondere Vorkommnisse. Um halb Vier hatten wir einen Parkplatz und um ca. Fünf vor Vier waren wir im wie immer gut gefüllten Schalker Block – pünktlich auf die Minute zum 1:0 … natürlich für Gladbach!
Was für ein Tag. wie so oft in diesen Zeiten ein erbärmliches Spiel vom S04, das 2:0 folgte irgendwann auch noch und wir schlichen wieder zum Auto. Wir schmiedeten Pläne, dass wir das Beste draus machen und uns heute Abend ordentlich besaufen würden und plötzlich sagte mein Bruder Lars: „Ey, warte mal, da is ne Bude, ich hol ma Bier“ und ging über die Strasse … eine Minute später kam er wieder. „Hat noch einer Geld?“
Der Hundertmark-Schein, den er noch kurz vor der Autofahrt von zuhause geholt hatte, war ihm wohl irgendwie verloren gegangen…
Wir schmissen Geld zusammen, holten Bier, kamen irgendwie heile nach Hause und gingen in die Kneipe bis in den anderen Morgen.
Wieder mal ein ganz normales Auswärtsspiel… ach ja, beim 2:0 ist es geblieben, aber das war noch das Normalste an diesem Tag.
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Hauptsache das, was ihr erzählt, ist wirklich wahr, man erkennt um welches Jahr es geht (wenigstens ungefähr) und ihr habt kein Problem damit, dass es hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.