Stefan Schröder muss erst nochmal überlegen, was er so über sich im Netz verraten mag.
Heute erzählt Stefan Schröder vom ersten Mal, dass er seinen Sohnemann mit ins Stadion nahm.
Sonntag, 26. März 2000, was für ein Tag!
Eigentlich müsste mein Sohn diese Geschichte schreiben, da es sein erster Stadionbesuch war, aber ich glaube an die Umstände wie es dazu kam hat er wohl keine Erinnerung mehr (Gott sei Dank).
Es war nass und kalt, richtig rattig kalt. Frostig war aber nicht nur die Temperatur, frostig war auch die Stimmung bei uns im Haus. Keine Ahnung woran es lag, an dem Sonntagsspiel, die ich bis heute so hasse, oder an der schlechten Laune meiner Frau? Den ganzen Tag gerieten wir wegen irgendwelcher nichtigen Gründe aneinander.
Irgendwann platzte mir dann der Kragen und ich sagte zu meinem Sohn, damals 6 ½ Jahre alt, „Zieh dich warm an, richtig warm an. Strumpfhose, Jogginghose und Schneeanzug, es geht los!“. Auf seinen fragenden Blick fiel mir dann noch ein: „Vergiss den Gameboy nicht!“
Ab ins Auto, an die Tanke, durch die Stadt, A45 Richtung Norden und Gas. Mit jedem Kilometer stieg auch meine Stimmung und Florian, vertieft in seinen Gameboy, hatte immer noch keine Ahnung, wo es hingehen und was ihn erwarten sollte. Hinter Lüdenscheid-Nord endete die A45, kein Problem, A2 Richtung Westen und Gas. Langsam wurde es unruhig hinter mir. „Wohin wollen wir und wann sind wir da?“
Geduld, mein Sohn Geduld. Linke Seite der A2: Bergwerk Ewald. Jepp, dachte ich mir, nicht mehr weit!
In der Ferne leuchteten Flutlichter auf, die auch Florian entdeckte. Hinter mir bemerkte ich ein leises „Klick“ und die Tetris-Melodie aus dem Gameboy verstummte. Im Rückspiegel leuchteten mir in der Dunkelheit zwei Augen entgegen, er ahnte etwas. An der Fußgängerbrücke über die A2, Menschen in blau-weiß gekleidet, Fahnen und Schals, dann der erlösende Schrei: „Wir fahren zu Schalke!“.
„Auf Schalke“, mein Sohn, dachte ich mir, „Auf Schalke!“
Mich plagten ganz andere Sorgen: Es war 17:00 Uhr, Anstoss war um 17:30. Wo sollte ich nur parken? Abfahrt Gelsenkirchen-Buer raus, Kreisel erste rechts und sofort wieder die erste links, nur nicht so weit weg parken. Der Pimpf mit seinen 6 ½ Jahren war für sein Alter viel zu klein und einen Gewaltmarsch hielt er nicht aus.
Da! Auf dem zugeparkten Parkstreifen der Gegenfahrbahn fuhr jemand heraus, Innenspiegel, Außenspiegel, Gegenverkehr schaffte ich schon und 180 Grad Wende, der RUMMS im Motorraum gab mir recht: ich hatte es geschafft. Parkplatz ergattert und Motoraufhängung abgerissen. Erfuhr ich aber erst Tage später bei meinem Haus-und Hof-Schrauber.
Okay. Also raus aus dem Auto, den Pimpf in seine Jacke gezwängt, Handschuhe an und natürlich die blau-weiße Mütze auf den vor Aufregung glühenden Kopf gesetzt.
Jetzt sollte es etwas schnell gehen, den Jungen Huckepack genommen und im Laufschritt das kurze Stück durch den Park Richtung Brücke. Mein Gott, hier in Gelsenkirchen waren es gefühlte 10 Grad wärmer als bei uns im Sauerland – das lag aber wohl nur am Tempo und dem Gewicht auf meinem Rücken. Endlich, das Kassenhäuschen hinter der Nordkurve kam in Sicht und es gab keinen großen Andrang mehr. Zeitlich lagen wir ganz gut, so konnte ich meinen Nachwuchs erstmal absetzen und in Ruhe durchschnaufen.
Nachdem wir unsere Tickets ergattert hatten ging es hinter der Nordkurve den Hang hinauf Richtung Gegengerade. Block U, glaube ich mich zu erinnern, war unser Ziel. Vorbei an der Würstchenbude (Hunger war da, aber keine Zeit) und der Bierbude (davon hätte ich 3-4 verdrücken können) hasteten wir durch die ehrwürdige Fußball-Schüssel. Das strahlende Gesicht und die glänzenden Augen meines Sohnemannes werde ich niemals vergessen. Das war ja alles „in Echt“, und nicht wie bei der Sportschau oder dem Sportstudio!
Aha, Block U, angekommen und hinein. Bei einem Blick auf meine Karte murmelte ich dann „Oh, Scheisse, Reihe 10, da sieht der Florian wohl nicht das meiste“. Ich hatte wohl etwas zu laut gemurmelt, denn ein lautes „Hömma Kollege“ riss mich aus meiner Grübelei. Bei einem Blick nach links sah ich einen älteren Herrn, der mir winkte und rief: „Setz dich mit dein Jung hier hin, datt sinn Dauerkartenplätze, die kommen heute nich. Der Jung soll doch wat sehn!“ Sauber, klappte doch, und ich liebe diesen Ruhrpott-Slang, auch heute noch.
Ob mein Dauerkarten-Opi das bereut hat kann ich nicht sagen, denn ich musste Florian dauernd irgendwas erklären. „Was machen die da in der Nordkurve, wer ist das da unten und, und, und?“ In der 86.Minute kam dann auch noch sein Lieblingsspieler, Gerald Asamoah, und der Junge war zufrieden. Na ja, wenigstens er, denn das Spiel gegen die Eintracht aus Frankfurt endete mit einem mageren 0:0.
Ach ja, als wir wieder im Sauerland ankamen, hatte sich die Laune meiner Frau schlagartig gebessert, dafür war aber meine total im Keller. Egal, der Pimpf schlief wie ein Gott und berichtete noch Wochen von „seinem“ tollen Erlebnis.
26. Spieltag, 26.3.2000
FC Schalke 04 – Eintracht Frankfurt 0:0
Schalke: Reck – Nemec – Eigenrauch, Waldoch – Oude Kamphuis, Kmetsch, Legat – Wilmots – Latal (86. Asamoah), Sand, Mpenza
Zuschauer: 42.335
PS: Als der „Pimpf“ diese Geschichte auf Papier gelesen hatte, bekam ich folgende E-Mail:
„Soo..
Da ich grade ja deine echt coole Geschichte gelesen habe ist mir mal aufgefallen, dass du mich schon so oft mit „Auf Schalke“ genommen hast. Ich denke jetzt ist es mal an der Zeit wo ich dich mit nehme 😛
Nächstes Jahr im Frühling? Wenn es wieder warm wird?
Du besorgst die Karten (natürlich Plätze für Fortgeschrittene Vater-Sohn-Fußballspiele also so weit Norden wie es geht!!) Und ich mache das finanzielle 😉 abgemacht?!
Hab dich so lieb Papa :-*
Dein Pimpf ;)“
„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Hauptsache das, was ihr erzählt, ist wirklich wahr, man erkennt um welches Jahr es geht (wenigstens ungefähr) und ihr habt kein Problem damit, dass es hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.