Schneller hören als sehen

Wolfgang Liffers und seine liebe Iris trifft man bei Heim- und Auswärtsspielen, in Mailand, Barcelona, Enschede, eben einfach überall, wo die Königsblauen auflaufen.

Heute schreibt Wolfgang Liffers, der seit Jahren bei zahllosen Schalke-Spielen im Stadion live dabei ist, aber trotzdem noch nie ein Spiel sehen konnte, über sein persönliches UEFACup-Finale.


Weil es für diese Geschichte wichtig ist, erwähne ich gleich am Anfang, dass ich blind bin. Noch nie habe ich ein Fußballspiel gesehen. Seit frühester Kindheit bin ich Fan des S04. Ich habe schon immer alles mit Begeisterung oder Entsetzen aufgenommen, was ich über die Blauen hören/lesen oder sonst wie mitkriegen konnte. Ich besitze eine Dauerkarte für die Arena und bin zumindest in der Bundesliga bei jedem Auswärtsspiel. Die Spiele besuche ich zusammen mit meiner Frau Iris, die auch sehbehindert ist, mit einer speziellen Brille das Geschehen aber ganz gut verfolgen kann. Ich verfolge das Spiel, indem ich zuhöre. Wie reagiert das Stadion? Was haben die Fans zu sagen, die um mich herum sitzen/stehen? Daraus entsteht mein „Bild“, und ich behaupte mal, dass ich nach den Spielen meistens ziemlich genau weiß, was wie passiert ist. Inzwischen gibt es in den meisten Stadien die Möglichkeit, per Kopfhörer einen Kommentar für Blinde und Sehbehinderte zu hören. Dieses Angebot nutze ich nicht. Wenn ich Radio hören will, bleibe ich zu Hause.

Einmal allerdings habe ich im Stadion Radio gehört. Es war am 21. Mai 1997. Ich brauche hier niemandem zu sagen, welches Spiel an diesem Tag stattfand. Nach Mailand fahren konnten wir nicht. Wo also sollten wir dieses historische Ereignis erleben? Im Parkstadion wurde eine Videowand installiert. Ich war skeptisch. Wie würde die Atmosphäre sein. Was würde ich da vom Spiel mitkriegen? Iris wollte hin, also sind wir gegangen. Zur Sicherheit habe ich ein Radio mit Kopfhörer mitgenommen.

Im Stadion war der Teufel los. Es waren viel mehr Fans gekommen als man erwartet hatte. Ihr werdet das Spiel noch in Erinnerung haben. Es kam zum Elfmeterschießen. Die Leute starrten auf die Videowand. Ich hörte den legendären Manni Breuckmann und die nicht so legendäre Sabine Töpperwien. Der erste Elfer war drin. Seltsam! Ich feierte schon mehrere Sekunden als die anderen reagierten. Und dieses Spielchen wiederholte sich bei jedem Schuss. Ich hatte immer ungefähr 3 Sekunden Vorsprung. Offensichtlich war die Radioübertragung um diese Zeit schneller als das Fernsehbild. Ich war der Erste im Stadion, der sich über den unglaublichen Erfolg der Eurofighter freute.

Erst später ist mir bewusst geworden, dass das wohl das erste und einzige mal war, dass ich vor meiner sehenden Stadion Umwelt wusste, was passiert. Für mich eins der unvergesslichen Erlebnisse, die man als S04-Fan unweigerlich hat.


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Hauptsache das, was ihr erzählt, ist wirklich wahr, man erkennt um welches Jahr es geht (wenigstens ungefähr) und ihr habt kein Problem damit, dass es hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

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