Kein Aprilscherz!

Markus Telgmann wird von seinem besten Kumpel “Länglich202” gerufen, weil er einen Schatten wie ein Flutlichtmast wirft. Oder so.

In dieser Geschichte lesen wir von einem denkwürdigen Tag im Jahre 1978, an dem es beim „ersten Mal“ wunderbare, aber auch ernüchternde Wahrheiten gab.


Es war ein sonniger Samstag, beim Mittagessen fragte mein Vater meinen ältesten Bruder, gegen wen Schalke denn spielen würde. Ungefragt antwortete ich: gegen Dortmund! Damals, als Zehnjähriger, durfte ich das so noch sagen *grins*. Schnell war auch klar, dass mein Bruder mit seinen Freunden direkt nach dem Essen los wollte.

Ich ging nach dem Essen nach draußen und fuhr mit meinem Fahrrad in der Gegend rum. Da wir damals noch in Gladbeck wohnten, war es bis zur Gelsenkirchener Stadtgrenze nicht all zu weit. Plötzlich lag die Stadtgrenze aber schon hinter mir und ich dachte so bei mir, ich fahr jetzt einfach mal weiter, vielleicht find ich den Weg zum Parkstadion ja wieder. Wir waren vor einigen Wochen mal von der Grundschule aus nach GE gefahren und hatten uns da die Schüssel mal im leeren Zustand angesehen.

Mit der Zeit war ich mir immer sicherer, das Stadion auch alleine zu finden, bekam dabei aber nicht mit, dass ich mittlerweile auf einer Kraftfahrzeugstraße unterwegs war. Ab und an wurde ich von irgendwelchen Autos angehupt und wusste gar nicht, was die Leute von mir wollten. An einer Brücke war, wie man unschwer an den Schals und den blauweißen Jeanskutten erkennen konnte, gerade eine Gruppe Schalker unterwegs, die mich darauf aufmerksam machten, dass ich mit meinem Fahrrad nicht auf der Straße fahren dürfte. Also kurz angehalten, zwei von denen hoben erst mein Fahrrad und dann mich über die Leitplanke, damit ich auf dem Fußweg meine Reise fortsetzen konnte. Noch eben die Frage von mir: „Wie komm ich denn von hier aus zum Stadion?“ – die klare Antwort: „Immer geradeaus!“

Nach kurzer Zeit erreichte ich die Fußgängerbrücke im Bereich der Nordkurve, die Zahl der blauweißen wurde langsam unübersichtlich und ich schob mein Fahrrad im Strom mitschwimmend Richtung Kassenhäuschen. Erstmal das Fahrrad am erstbesten Punkt abgestellt, eben da, wo schon einige Fahrräder standen und erstmal die ganze Situation beobachtet. Aus dem Stadion hörte ich die Musik und auch vereinzelte Schlachtrufe.

Da meine Eltern keine Ahnung von dem hatten, was ich an diesem Nachmittag erleben würde, hatte ich als Zehnjähriger jetzt auch kein Geld dabei, um mich mit einer Kinder-/Jugendkarte für 3 DM auszustatten, um so ins Stadioninnere vorzudringen. Also ging ich einfach mal den einen Weg hoch und wieder zurück und dann mal in die andere Richtung, in der Hoffnung, vielleicht einfach mal einen Blick ins Innere erhaschen zu können. Keine Ahnung, wie spät es mittlerweile war, aber bis zum Anstoß war es bestimmt nicht mehr lang hin. An dem Kassenhäuschen vor der Nordkurve war eine endlos lange Schlange und ich überlegte schon, ob ich nicht wieder nach Hause fahren sollte, damit ich den Großteil des Spiels, wie eigentlich jedes Wochenende, am Radio mitverfolgen könnte.

Aber plötzlich kamen zwei Jugendliche mit Kutte auf mich zu und der eine fragte mich: „Hasse Lust dir dat Spiel anzugucken?“ Ich war sprachlos und total verdattert und stotterte vor mich hin: „Äh ja, äh weiß nicht, ich hab ja äh überhaupt kein Geld dabei …!“ Noch bevor ich zu Ende stottern konnte, fragte mich der Zweite: „Willse die Karte haben?“, und wedelte mit dieser Pappkarte vor meinen Augen.

Ich war so perplex und dachte nur, die wollen dich verarschen. Nach kräftigen durchatmen und einem 1m langen Gedankenstrich nahm ich meinen Mut zusammen und sagte, dass ich die Karte gerne hätte, aber ich hätte doch kein Geld. Da nahm der mit der Karte meine Hand und drückte mir den Pappstreifen hinein. Noch bevor ich irgendwas sagen konnte, waren die beiden verschwunden.

Ich näherte mich langsam aber ängstlich der Zugangskontrolle und bevor die Karte entwertet wurde fragte ich den Ordner, ob die Karte denn wohl echt sei. Er guckte kurz, beruhigte mich und riss die Ecke ab. Erst jetzt, als ich die Kontrolle hinter mir hatte, schaute ich mir die Karte genauer an und blieb erschrocken stehen: Block T, Reihe 37 (Sitzplatz-Nummer ist mir leider nicht mehr bekannt – Karte ist bei einem der vielen Umzüge leider auf der Strecke geblieben), zum Originalpreis von 14,– DM *schluck*!

Und da ich überhaupt keine Ahnung hatte wo ich überhaupt hin musste, ging ich zielstrebig Richtung Haupttribüne. Am Tor angekommen zeigte ich dem Ordner meine Karte, der mir aber sofort zu verstehen gab, dass es sich um eine Karte für die Gegengerade handele und ich an der Tribüne total falsch wäre. Nach meinem Hinweis, „Äh, ich kenn mich hier nicht aus!“, ging der Ordner einige Schritte mit mir runter, zeigte dann zur Gegengerade und meinte, da oben an der höchsten Stelle sollte ich noch mal nachfragen.

Das Spiel hatte mittlerweile begonnen und ich lief zwar langsam aber zielstrebig die Gegengerade hoch bis zum Block T. Auch hier stand wieder ein freundlicher Ordner, der mir zeigte wo in etwa mein Platz sein musste. Erst jetzt erkannte ich, wie voll die Schüssel war.

Mann, was für ein Unterschied zu dem Besuch unserer Klasse vor wenigen Wochen!

Die Gesänge aus der Kurve konnte ich nicht verstehen, war doch alles so neu und unbekannt für mich. Der ältere Herr neben mir sprach mich an, wie alt ich denn wäre. Stolze Antwort von mir: „ZEHN!“
„Und dann ganz alleine hier im Stadion?“
„Ja, Mama und Papa wissen ja wo ich bin.“
Äh, sollten sie dann abends erfahren 🙂

Kurz vor der Halbzeit machte dann ein gewisser Burgsmüller das 0:1. Ein wenig traurig aber erwartungsfroh hoffte ich auf die 2. Halbzeit. Das Spiel, was ich denn so mitbekam, plätscherte dahin, als plötzlich wieder dieser Burgsmüller Tor Nummer zwei schoss. Schalke hatte an diesem Tag nicht viel entgegen zu setzen und so blieb es bis zum Ende beim 0:2. Noch einige Zeit nach dem Schlusspfiff, saß ich immer noch im Block T und genoss es, wie sich das Stadion langsam leerte.

Keine Ahnung, wie lange ich noch ausharrte, bevor ich mich auf den Weg machte, um mein absolut verkehrsuntaugliches Fahrrad zu suchen und nach einem ungewöhnlichen, aber trotz Niederlage schönen Samstagnachmittag zurück nach Gladbeck zu fahren und in die verwunderten Augen meiner Eltern zu schauen, die mir ohne die Eintrittskarte diese Geschichte wohl niemals geglaubt hätten!

Mein Dank geht an dieser Stelle an die beiden Jungs, die mir die Karte schenkten, und vielleicht erkennen sich die beiden ja wieder und man trifft sich mal in der Arena oder woanders auf ein leckeres Veltins 🙂

Samstag 1.April 1978 Parkstadion Gelsenkirchen
FC Schalke 04 – Borussia Dortmund 0:2 (0:1)
Zuschauer 62.000
Tore: 0:1,0:2 Burgsmüller(45., 66.)

Schalke spielte in folgender Besetzung: Enver Maric – Manfred Ritschel, Klaus Fichtel, Rolf Rüssmann, Jürgen Sobieray, Herbert Lütkebohmert, Lennart Larsson, Hannes Bongartz, Rüdiger Abramczik, Klaus Fischer, Erwin Kremers


„1904 Geschichten“.
Die Bitte geht an Alle: wenn ihr etwas habt aus über 100 königsblauen Jahren, etwas Wahres über Schalke, das ihr teilen wollt, Erlebnisse die erinnernswert sind oder ganz einfach Schilderungen, wie es war, wie man sich Eintrittskarten besorgte, wo in der Glückaufkampfbahn, dem Parkstadion oder der Arena man „daheim“ war, wie man dahin kam und wie es da zuging, oder was auch immer vielleicht jemand, der Schalke nur vom Fernsehen oder aus der Zeitung kennt, nie oder niemals wirklich wissen kann – aber vielleicht sollte – schickt mir (matthias.berghoefer[at]web.de) einfach eure Texte, Dreizeiler oder halbe Romane und egal wie’s mit Rechtschreibung aussieht. Hauptsache das, was ihr erzählt, ist wirklich wahr, man erkennt um welches Jahr es geht (wenigstens ungefähr) und ihr habt kein Problem damit, dass es hier, und vielleicht auch irgendwann mal in einem Buch, veröffentlicht wird – natürlich unter eurem Namen, oder einem „Pseudonym“ falls euch das aus irgendeinem Grund lieber ist.
1904 Geschichten sind eine Menge Holz. Ich bin mal gespannt.

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